Original geschrieben von caphos
ich behaupte das glatte gegenteil. einen text der konsequent klein geschrieben ist kann ich persönlich sehr viel schneller lesen und wenn man der deutschen sprache mächtig ist (soll kein angriff sein), dann sollten substantive ohne zu überlegen wahr genommen werden, wenn sie kleingeschrieben sind.
Natürlich lassen sich die Substantive aus dem Satz herauslesen, sie lassen sich aber schneller erkennen, wenn sie extra markiert sind, was bereits Struktur in den Satz hineinbringt, ohne daß man den Sinn erfaßt haben muß, und sich deshalb nicht nur schneller und weniger ermüdend lesen läßt, sondern zudem schneller aufgefaßt und besser behalten wird. Die Substantive sind schließlich der Gegenstand der Rede, also das, um was es eigentlich geht.
In den 70er Jahren gab es dazu Studien, als die deutsche Großschreibung ins Englische übernommen werden sollte – man hat glücklicherweise von solch einem großen Spracheingriff Abstand genommen. Eine aktuellere Untersuchung gibt es vom Max-Planck-Institut und nennt sich „Orthographic Word Shape in German and the Missing Letter Effect“.
Wortklassen zu erkennen, damit eine Struktur in den Satz zu bekommen, ist inbesondere in Sprachen mit recht freier Satzstruktur von Vorteil, weshalb Du Englisch mit Deutsch ohnehin nicht vergleichen kannst, da sich bei jenem eine Wortklasse allein durch die Stellung im Satz ergibt. Moment mal, aber in gesprochener Sprache funktioniert es doch auch prima! Das ist richtig, nur hat man dort etliche andere Mittel zur Verfügung, etwa die Tonlage, die Betonung und Pausen, von denen sich nur die letzten beiden mit wenigen Satzzeichen kaum erkenntlich machen lassen. Zwischen gesprochener und geschriebener Sprache gibt es zudem den Unterschied, daß jene meist einfacher gehalten ist als diese.
Und wenn man der deutschen Sprache mächtig ist, sollte man Groß- und Kleinschreibung im Schlaf beherrschen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Nur weil man es selbst nicht kann, muß man hanebüchene Behauptungen aufstellen und damit versuchen, sein Defizit in einen Vorteil umzukehren.
Die Bedeutung in deutschen Sätzen tragen meist die Substantive, weshalb deshalb schon eine Markierung dienlich ist, und daher stimme ich Dir in dem Punkt der neuen Rechtschreibung zu: Sie fordert an Stellen Großschreibung, wo sie nicht hingehört, da „Scheinsubstantive“ großgeschrieben werden müssen, die im Satz überhaupt nicht die Rolle spielen, um eine Großschreibung zu verdienen. Seit der Reform letzten Jahres hält sich das zwar in Grenzen, ist aber nichtsdestotrotz ärgerlich und schmälert den Vorteil der Großschreibung. Es ist Sprachverarmung, die dem Schreiber zwar das Schreiben erleichtert, dem Leser das Lesen aber erschwert.
ich glaube der grund liegt darin, dass eine erhöhung und erniedrigung der "texthöhe" enorm den lesefluss stört.
Im Gegenteil, Oberlängen sind der Ästhetik dienlich und führen das Auge. Jedes wichtigere deutsche Wort hat mindestens eine Unter- oder Oberlänge, auch die, die kleingeschrieben werden. Das stimmt seit der Rechtschreibreform nicht mehr ganz, denn sie streicht bei etwa
rauh das H, das, wie zwar richtig argumentiert ist, dort, im Hinblick auf eine Laut-Buchstaben-Zuordnung, nichts zu suchen hat, aber eine wichtige Rolle spielt, da sie das unscheinbare
rau mit einer Oberlänge zu den wichtigeren Wörtern erhebt.
Die Großschreibung an Wortanfang hat den Vorteil, daß bereits dort, ohne daß man das Wort überhaupt gelesen hat, Struktur in den Satz gebracht wird und eine bestimmte Wortklasse erwartet werden kann. Es bestimmt bereits über Zuordnung und Verständnis, bevor man das Wort gelesen hat.