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Internationale Beziehungen, Geopolitik

Verfasst: 17.05.2010, 11:35
von Morb1d
Könnt ihr Bücher in der Richtung (Internationale/transatlantische Beziehungen, Geopolitik) empfehlen?
Am besten nicht so trocken... eine lockere Einführung würde mir erstmal reichen. Von mir aus auch gute Romane in der Richtung.

Verfasst: 18.05.2010, 10:22
von Gustavo
Schwierig. Ich könnte dir gute Einführungen in die Internationalen Beziehungen empfehlen und auch gute "lockere" Bücher, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber die sind selten richtige Einführungen und meistens deutlich spezieller. Viele Leute mögen Thomas Friedman sehr gerne, welcher locker schreibt und auch die vernünftig argumentiert, aber ich kann mit seiner Art zu schreiben und den Gemeinplätzen, die er am laufenden Band formuliert, nicht viel anfangen. Sollte dich aber nicht abschrecken. Das neue Buch ("Hot, Flat and Crowded") war ganz ok, "The World is Flat (2.0/3.0)" hat sich wahnsinnig gut verkauft, erscheint mir allerdings für die Zeit nach der Krise nicht mehr von richtig großer Relevanz. Auch beliebt ist Fareed Zakarias "The Post-American World", das ist besser geschrieben und Zakaria bringt etwas mehr wissenschaftliche Glaubwürdigkeit mit als Friedman, der immer als Journalist gearbeitet hat. Wenn du an der Entstehung der globalen Ordnung interessiert bist, könnte dir auch die Biografie von Dean Acheson gefallen, der unter Truman im Außenministerium gearbeitet hat und besser schreibt als Zakaria und Friedman. Ganz interessant aus rein US-amerikanischer Perspektive ist J. Peter Scoblics "U.S. vs. Them", ebenfalls an der Atomwaffenthematik abgearbeitet hat sich Gary Wills mit "Bomb Power". Wenn nichts davon dich interessiert, könntest du den Rahmen noch etwas eingrenzen, dann könnte ich dir wahrscheinlich noch ein paar Bücher mehr nennen.

Verfasst: 18.05.2010, 11:56
von Morb1d
Danke dir.
Prinzipiell wäre ich einfach mal an den "Konventionen" interessiert, die staatliche Beziehungen und Diplomatie heute ausmachen. Ich möchte Nachrichten dieser Art analysieren und verstehen können.
Wenn es locker ist, macht es eigentlich nichts wenn es spezieller ist, solange das Thema interessant ist. An Beispielen lernt man sowas wohl eh am besten. Transatlantische Beziehungen sind interessant, aber auch Nahost (wobei letzteres schon ein recht komplizierter Konflikt ist). "The Post-American World" klingt aber auch toll, vor allem weil es recht aktuell ist.
Du musst dir jetzt aber nicht, den Arm abschreiben. Wahrscheinlich wirds zeitlich eh nur für ein Buch reichen. :ugly:

Verfasst: 18.05.2010, 12:06
von Gustavo
Ich bin nicht sicher ob ich dich richtig verstanden habe, aber falls ja, könnte http://en.wikipedia.org/wiki/The_Shield ... of_History das richtige Buch für dich sein. Ist auch nicht schwer verständlich, wenn auch nicht so locker wie das von Zakaria. Das Buch hat auch den Vorteil, weniger aus der Sicht der USA zu beschreiben, insofern könnte das interessant sein.

Verfasst: 15.02.2011, 14:41
von Morb1d
Kleines Update:
Zakaria hab ich letzten Sommer gelesen. War wirklich gut und sehr interessant. Schaue seitdem auch oft seine Sendung auf CNN.

Von Friedman hab ich vor Kurzem "Hot, Flat, and Crowded" angefangen, aber nach nem Drittel nicht mehr weitergelesen. Das war zwar eher wegen der stressigen Prüfungszeit, aber sein Stil ist auch teilweise recht einschläfernd. Man könnte meinen, das Buch besteht zur Hälfte aus Metaphern, die in einer Kolumne sicher mal gut kommen, und mehrzeiligen Beschreibungen wo ein Zitat oder ein Gesprächspartner herkommt. Beispiel nach zufälligem Aufschlagen des Buches: "Jonathan F. P. Rose, a national real estate developer specializing in green buildings and communities, a board member of the Natural Resources Defense Council, and an amateur systems theorist, once put it to me this way:...". Das nervt irgendwann tierisch. Habe dennoch ein paar Sachen gelernt, beispielsweise die Gesetze der Petropolitik. Vielleicht lese ich ja mal weiter.

Das Buch von Philip Bobbitt habe ich mir jetzt mal aus der Badischen Landesbibliothek ausgeliehen. Es ist wirklich hochinteressant und scheint genau das zu sein, was ich gesucht habe, aber ob ich die 900 Seiten durchhalte ist noch fraglich. :ugly: Schade, dass es dazu keine Übersetzung gibt. Es ist aber auch ziemlich befremdlich. Etwa wenn er Clinton, Blair, Schröder und Bush als Architekten der neuen Staatenordnung preist, oder meint, dass Hiroshima notwendig war. Was hälst du davon? Hier gibt es ne "Zusammenfassung", falls jemand interessiert ist.

Verfasst: 16.02.2011, 05:40
von Gustavo
Morb1d hat geschrieben:Das Buch von Philip Bobbitt habe ich mir jetzt mal aus der Badischen Landesbibliothek ausgeliehen. Es ist wirklich hochinteressant und scheint genau das zu sein, was ich gesucht habe, aber ob ich die 900 Seiten durchhalte ist noch fraglich. :ugly: Schade, dass es dazu keine Übersetzung gibt. Es ist aber auch ziemlich befremdlich. Etwa wenn er Clinton, Blair, Schröder und Bush als Architekten der neuen Staatenordnung preist, oder meint, dass Hiroshima notwendig war. Was hälst du davon?

Nun, man merkt dem Buch deutlich an, dass der Korpus schon vor dem 11. September stand und vor allem, dass es vor dem Irakkrieg herauskam. Was ich daran sehr instruktiv fand, war einerseits seine Art, den Fortgang der Geschichte zu betrachten und andererseits, dass er die Militärebene hereinbringen kann, was so gut wie niemand kann, der auf einer geopolitisch so hohen Abstraktionsebene schreibt. Die Wirtschaftskrise wirft ein Schlaglicht auf seine Idee von market states, aber ich glaube im wesentlichen Leben wir weiterhin in der Welt, wie sich Bobbitt sie vorstellt. Und letztendlich muss auch nicht unbedingt alles stimmen, was er prognostiziert (der Geschichtsteil sollte es natürlich und tut es auch, soweit ich es überblicken kann), wenn man es als Denkanstoß sieht. Er ist so fair und gibt einem die Fakten relativ genau und setzt dann seine Brille auf, anstatt die Fakten schon so zu präsentieren, dass sie nur in sein Konstrukt passen können. Diese Sache mit der neuen Ordnungspolitik und Hiroshima erscheinen mir ein bisschen dem Geist der 90er und Fukuyamas These vom Ende der Geschichte geschuldet. Man merkt ihm das hegelianische Geschichtsdenken klar an. 900 Seiten sind natürlich hapig, aber man wird nicht gelangweilt und die Faktendichte ist hoch, ohne dass der erzählerische Faden verloren wird. Die Zusammenfassung erscheint mir sein Buch ziemlich gut auf den Punkt zu bringen.

€dit: Was man an den Review-Auszügen an seiner Seite übrigens gut sieht: Wenn man so ein Buch schreibt und sowohl Lob von der Times und dem New York Review UND dem Weekly Standard und dem National Review bekommt, hat man höchstwahrscheinlich einen großen Wurf gelandet. :ugly: