Erst mal etwas Grundsätzliches: das Europäische Gemeinschaftsrecht überlagert zwar grundsätzlich das Grundgesetz und das BVerfG hat die Rechtsprechungskompetenz an EuGH abgetreten, aber gleichzeitig auch erklärt, dass sie diese Kompetenz dann zurückfordert, wenn durch europäisches Recht eine Verletzung der Ewigkeitsklausel ersichtlich wird, die die Unveränderlichkeit im aktuellen GG der Artikel 1 und 20 garantieren. In Artikel 1 wird die Menschenwürde geschützt, mit Artikel 20 die sozial-, rechts- und bundesstaatlichen Prinzipien sowie die demokratische, republikanische Staatsform. In der Literatur ist man sich weitestgehend einig, dass Artikel 102, der die Abschaffung der Todesstrafe verfasst, nicht ändern kann, da die Todesstrafe gegen die Menschenwürde verstößt. Somit ist es nach aktueller Rechtslage nicht möglich, in Deutschland die Todesstrafe wieder einzuführen.
Original geschrieben von asdf2k
Es muss in einer Demokratie auch die Möglichkeit geben, eine Regierung zu stürzen, wenn sie nachweislich demokratischen freiheitlichen Richtlinien entgegenarbeitet. Und der oben zitierte Absatz mit der Todesstrafe stellt genau dies dar. Deine Aussage, es heble nicht das GG in Deutschland aus, lässt das Ganze in einem anderen Licht erscheinen, wenn man es sich in Kombination z.B. mit dem europäischen Haftbefehl betrachtet. (Vergleiche hier auch den aktuellen Fall in Frankreich, Staatsbürger nach China ausliefern zu können, wo z.B. Folter an der Tagesordnung ist.)
Ich sehe nicht, inwiefern die Todesstrafe der Demokratie diametral gegenübersteht. Sicherlich ist ihr Bestehen keine erstrebenswerte Rechtslage, aber dies allein richtet sich noch in keiner Weise gegen demokratische Prinzipien. Es gibt sogar einige Staaten auf der Welt, in denen die Todesstrafe existiert und die zutiefst demokratisch sind, z.B. Japan. Seine Aussage, dadurch würde das GG nicht ausgehebelt, ist wie oben erklärt, völlig richtig.
Den europäischen Haftbefehl hast du übrigens auch falsch verstanden: Auslieferung in Staaten außerhalb der europäischen Union wird nicht durch den europäischen Haftbefehl legitimiert und in Deutschland auch verfassungsrechtlich verboten. Möglich ist dies nur dann, wenn der Gefangene bereits aus dem jeweiligen Land nach Deutschland zur Befragung ausgeliefert wurde.
Original geschrieben von asdf2k
Du nennst mich bescheuert, verzichtest aber (indirekt) auf ein Grundrecht (anders kann ich die Aussage nicht interpretieren), dass man um's verrecken nicht revoltieren sollte, egal was die Politik anzettelt?
Es gibt kein Grundrecht auf Revolution. Es gibt Artikel 20 Absatz 4, aber es gibt einen guten Grund, warum gegen die Einführung dieses im Rahmen der Notstandsgesetze heftig protestiert wurde: es handelt sich hier nicht um ein klassisches Bürgerrecht wie bspw. die Meinungsfreiheit, die dem Bürger ein bestimmtes Recht gegenüber dem Staat einräumt, sondern um ein Recht, das in letzter Konsequenz auch vom Staat durchgesetzt werden kann und muss; es ist zwar historisch nicht ohne Präzedenz, aber dass sich der undemokratische Staat sich mit Gewalt gegen seine demokratisch eingestellten Bürger wehren muss, ist sehr viel seltener, als dass sich der demokratische Staat mit Gewalt gegen umdemokratische Strömungen schützen muss. Gleichzeitig garantiert Art. 20 IV ausdrücklich nicht die Revolution gegen unbestimmte Verhältnisse, es müssen eben die in Artikel 20 festgeschriebenen Prinzipien angegriffen werden. Darunter fällt aber eben etwas wie beispielsweise einfache Einschränkungen bestimmter Bürgerrechte nicht.
Es muss kein explizites Recht auf Revolution geben, das implizite genügt bereits. Gleichzeitig muss man auch sehen, dass es nicht zur persönlichen Disposition stehen kann, ab wann man dieses Recht einlösen kann: hierfür gibt es die Rechtsprechung in Deutschland, die dieser Problematik liberal gegenübersteht. Dementsprechend muss man sich eben auch an die juristischen Definitionen halten (die ich im letzten Semester selbst kennengelernt habe und die ich für sehr vernünftig halte), wenn man seine eigenen Taten über die gerechte Revolution rechtfertigen will. Und in Deutschland sind wir bei WEITEM noch nicht so weit, dass sich so ein Verhalten rechtfertigen lassen würden. Wer auf solche Ideen kommt, muss schon reichlich paranoide Gedankengänge verfolgen.
Original geschrieben von asdf2k
Darum geht's letzendlich. Wenn ein Zustand wie in 20(4) eintritt, dann muss ich fürchten, übern Haufen geschossen zu werden, obwohl dieser Passus letztlich dem Bürger das Recht geben sollte, eine Regierung zu stürzen, wenn sie nachweislich Scheiße baut. Sag mir, wieso ist diese Regelung noch nirgends in deutschen Gesetztestexten auftauchte, wieso sie auf einmal jetzt notwendig sein sollte und wieso Merkel, die einen Eid auf das GG geschworen hat (in dem doch die Todesstrafe abgeschafft ist), nun damit nach vorne prescht?
Alleine die Proteste der APO eben GEGEN das Gesetzespaket, im Rahmen dessen Art. 20 IV beschlossen wurde, sollte dir zeigen, dass der Passus eben nicht explizit als Recht der Bürger auf Revolution verstanden werden sollte. Es geht auch nicht darum, dass die Politik "Scheiße baut", denn das ist ebenfalls sehr subjektiv. Es geht um festgelegte Richtlinien und an diese hat sich bisher in Deutschland niemand herangewagt.
Original geschrieben von asdf2k
Es gab schon Fälle, wo das GG zurechtgebogen wurde (vgl. hier z.B. das Luftsicherheitsgesetz).
Das GG kann auch geändert oder komplett abgeschafft werden, vgl. die Änderungen des Paragraphen 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung).
Du gehst einfach von Rechten aus, die es nicht gibt. Außerdem scheinst du an enormer Realitätsverzerrung leiden, wenn du wirklich glaubst, in 10 Jahren hätte sich in Deutschland viel verändert. Das dachte die APO auch, du solltest dir mal anschauen, worauf das letztendlich hinauslief (ich kann es dir aber auch sagen: nichts). Und sag bitte nicht, wir seien alle "naiv" oder solchen Blödsinn: möglich, dass du Recht hast. Aber die Wahrscheinlichkeiten, die Rationalität und der gesunde Menschenverstand spricht nicht mehr gegen dich, als wenn du behaupten würdest, wenn man genug Katzen zusammenbindet, hat man ein Pferd.