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Politikverdrossenheit

Für alles rund um Politik, den Wahlkampf, die Parteien und die Kandidaten...
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Aequilibrium2
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Politikverdrossenheit

Beitrag von Aequilibrium2 »

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 52,00.html

Man merkt, dass der Artikel von einem SPD´ler geschrieben wurde. Ich finde es unverschämt, das Versagen der Parteien und damit auch der eigenen Partei auf die Bürger im Lande abzuwälzen und quasi die Botschaft zu senden, dass Politikverdrossene den "Feinden der Freiheit" Recht gäben. Es stimmt natürlich, dass es so wie momentan nicht weiter gehen kann und darf. Aber so wie es Hans-Peter Bartels hier versucht, wird es sich kaum bessern.
Gustavo
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Beitrag von Gustavo »

Und ich finde es eine Frechheit, in einem Land, dessen Wohlstand seine Bürger zu faul und träge gemacht hat, die kleinsten Einschnitte hinzunehmen, von dem "Versagen der Politik" zu reden. Dieses Land stand vor 60 Jahren noch völlig am Abgrund (wäre der Morgenthau-Plan durchgeführt worden, sähe heute wohl die BRD so aus wie die DDR mal ausgesehen hat). Heute wählen Menschen, denen es immernoch sehr gut geht, rechte Parteien; eigentlich eine Beleidigung der noch Lebenden, die den Terror der Nazis miterlebt haben, ganz zu schweigen derer, die daran gestorben sind. Die Politikverdrossenheit lässt sich meiner Meinung zum größten Teil auf die Bürger zurückführen und ganz bestimmt nicht auf die Politik, die als großes Ganzes gesehen in den letzten 60 Jahren gute Arbeit geleistet hat. Ich finde es in höchstem Maße anmaßend, einen Kausalverlauf zu basteln, der die Politik dafür haftbar macht, dass einige Wähler einfach nur Ochsen sind. Die Idee, Demokratie in den Schulen zu unterrichten, ist sicher keine schlechte, aber im Grunde müsste es selbstverständlich sein, an die Demokratie zu glauben, wenn man nur einen Funken Verstand und ein lächerlich geringes Maß an Auffassungsgabe besitzt. Politikverdrossenheit ist eine Sache, politische Apathie eine andere. Die gibt den "Feinden der Freiheit" durchaus recht und für die können die Bürger haftbar gemacht werden.
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agra

Beitrag von agra »

Ich kann Gustavo nur Recht geben: Deutschland ist noch immer eines der reichsten Länder der Erde, was schon fast einem Wunder gleichkommt, wenn man bedenkt, aus welchem Unrechtsstaat die heutige BRD hervorgegangen ist, ein Land mit einem der gerechtesten und ausgeglichesten Systemen der Welt: die Mischung aus personalisiertem Verhältniswahlrecht, gekoppelt an 5-Prozent-Hürde und die 3-Mandate-Regelung, hat dazu geführt, dass extreme Parteien wohl nie wieder an die Macht kommen können. Deutschland hat nicht nur die Weltwirtschaftskrise gemeistert, sondern auch z. B. den RAf-Terror souverän gemeistert. Im Großen und Ganzen kann man durchaus stolz auf das heutige Deutschland sein, ganz besonders auf die Verfassung Deutschlands, auf das Grundgesetz.

Was mich oft aufregt: jeder weiß, was alles schiefläuft, aber keiner ist dazu bereit, für seine Überzeugungen einzutreten - meckern reicht ja. Kritik ist wichtig und sinnvoll, aber wenn man noch nichtmal in Erwägung zieht, selbst etwas zu unternehmen, sei es auf Faulheit, aus Feigheit, aus Bequemlichkeit, dann darf man sich nicht beklagen, wenn Meinungen, die man nicht teilt, an Macht gewinnen.
Aequilibrium2
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Beitrag von Aequilibrium2 »

Original geschrieben von Gustavo
Und ich finde es eine Frechheit, in einem Land, dessen Wohlstand seine Bürger zu faul und träge gemacht hat, die kleinsten Einschnitte hinzunehmen, von dem "Versagen der Politik" zu reden.
Ich meinte hier, dass die Politik es versäumt hat, die Bürger interessiert am politischen Geschehen zu halten, bzw. ein solches Interesse zu bilden. Viele Politiker behaupten, dies sei eine Aufgabe ihres Berufs. Dann sollten sie auch was dafür machen. Ich bin der Meinung, dass es keinen wundern darf, wenn sich die Leute nicht (mehr) für Politik interessieren. Wenn man so oft ein derartiges Theater veranstaltet und mit hohlen und leeren Phrasen ohne jede Nachhaltigkeit nur so um sich wirft. Andererseits ist der Bürger natürlich nicht unschuldig - wer Bild kauft/liest hat kaum die Kompetenz, korrekt zu wählen. Ich sehe aber den größeren Teil der Schuld klar bei der Politik.
Original geschrieben von agra
Was mich oft aufregt: jeder weiß, was alles schiefläuft, aber keiner ist dazu bereit, für seine Überzeugungen einzutreten - meckern reicht ja. Kritik ist wichtig und sinnvoll, aber wenn man noch nichtmal in Erwägung zieht, selbst etwas zu unternehmen, sei es auf Faulheit, aus Feigheit, aus Bequemlichkeit, dann darf man sich nicht beklagen, wenn Meinungen, die man nicht teilt, an Macht gewinnen.
Vielleicht unternimmt man auch nichts, weil man damit beschäftigt es selbst einigermaßen über die Runden zu kommen oder aus früheren, negativen Erfahrungen resigniert. Daran schon mal gedacht?

Edit: Mir fällt gerade auf, dass der Thread eigentlich im Allgemeinen Forum stehen müsste, da die, die es betrifft, dort sind und nicht hier. Dann fallen aber auch wieder Kommentare die in diesem Thread nichts verloren haben.
agra

Beitrag von agra »

Ich spreche von den Leuten, die durchaus zur Mittelschicht, zur oberen Mittelschicht, wenn nicht zur Oberschicht gehören; gerade diese Menschen sind oftmals nur allzu schnell bereit, die derzeitige politische Lage zu verdammen, etwas selbst ändern oder das auch nur zu versuchen, dazu sind sie jedoch nicht bereit.
Gustavo
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Beitrag von Gustavo »

Original geschrieben von Aequilibrium
Ich meinte hier, dass die Politik es versäumt hat, die Bürger interessiert am politischen Geschehen zu halten, bzw. ein solches Interesse zu bilden. Viele Politiker behaupten, dies sei eine Aufgabe ihres Berufs. Dann sollten sie auch was dafür machen. Ich bin der Meinung, dass es keinen wundern darf, wenn sich die Leute nicht (mehr) für Politik interessieren. Wenn man so oft ein derartiges Theater veranstaltet und mit hohlen und leeren Phrasen ohne jede Nachhaltigkeit nur so um sich wirft. Andererseits ist der Bürger natürlich nicht unschuldig - wer Bild kauft/liest hat kaum die Kompetenz, korrekt zu wählen. Ich sehe aber den größeren Teil der Schuld klar bei der Politik.

Mal ganz abgesehen, dass ich starke Zweifel daran habe, dass es wirklich Politiker gibt, die das für einen integralen Teil ihres Berufs halten: es ist Bürgerpflicht, zumindest ein Mindestmaß an politischem Interesse aufzubringen und sein aktives Wahlrecht auszuüben, vom passiven ganz zu schweigen. Deine diffuse Politkritik läuft irgendwie ins Leere: Politik, so wie sie in Deutschland gemacht hat, ist (mit Ausnahme des Parteienzwanges vielleicht) Politik in "Reinkultur". Die Alternative wäre das Modell der USA: ein riesiger Zirkus, um die Leute wenigstens einigermaßen interessiert zu halten (was bis auf Partikularinteressen auch nicht besonders gut klappt).

Übrigens finde ich solche Aussagen wie "korrekt zu wählen" ziemlich schwachsinnig. Man kann im Grunde nur informiert oder informiert und/oder nach oder gegen seine Überzeugungen wählen, mit Worten wie "korrekt" wäre ich da sehr vorsichtig. Ich bin überzeugt davon, dass die meisten Leute, die BILD lesen, das gewählt haben, was ich bei der letzten Bundestagswahl auch gewählt habe und ich bin relativ gut informiert: hab ich mich deshalb "verwählt"?
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Rex*Cramer

Beitrag von Rex*Cramer »

Original geschrieben von Gustavo
Und ich finde es eine Frechheit, in einem Land, dessen Wohlstand seine Bürger zu faul und träge gemacht hat, die kleinsten Einschnitte hinzunehmen, von dem "Versagen der Politik" zu reden.
Diese Schönfärberei verzerrt genauso wie die Schwarzmalerei von Aequilibrium. Beides bringt nichts.

"Kleinste" Einschnitte? Entschuldige, Gustavo, aber so einen Unsinn habe ich von Dir lange nicht gelesen.
Selbst Peter Bofinger, der ja bekanntermaßen links steht, hat diese Woche erklärt (in "Das Duell" mit Heiner Bremer bei N-TV), daß es gar keinen Reformstau gäbe, wobei er auf das Sozialsystem verwiesen hat, wieviel gerade hier bewegt worden sei. Natürlich besteht ein grundlegender Unterschied, was das Volk unter einer Reform versteht (den Eintrag in Wörterbüchern sollte man langsam mal ändern), aber das steht auf einem anderen Blatt.
Früher waren fast nur Geringqualifizierte von (längerer) Arbeitslosigkeit und den Konsequenzen daraus bedroht. Inzwischen droht die sogenannte Mittelschicht abzukippen. Bereits nach nur einem Jahr fällt man auf die unterste soziale Stufe zurück. Hat man etwas angespart, weil der Staat einem erzählt, man könne sich auf die Rente nicht mehr verlassen und müsse selber vorsorgen, wird man dazu gezwungen, zunächst seine Rücklagen aufzubrauchen.
Dich möchte ich sehen, wenn Du einem Familienvater mit kleinen Kindern und einer Hausfinanzierung, der arbeitslos geworden ist und kaum Aussichten auf einen anderen Job hat, mit solchen Sprüchen kommst. Ich kann dann nur für Dich hoffen, daß Du schnell laufen kannst ...


Von welchem Wohlstand sprichst Du? Wer wählt denn Linkspartei und NPD, die Feinde der Demokratie? Bei der NPD werden es hauptsächlich Protestwähler sein, denen Du nicht mit politischer Bildung beikommen kannst, während es bei der LiPa i. d. R. Menschen sind, denen politisches Wissen völlig fehlt.
Du kannst doch einem Empfänger von ALG II, der auf Bewerbungen Hunderte von Absagen erhalten hat, der schon aufgegeben hat und in Perspektivlosigkeit abdriftet, nicht allen Ernstes vom tollen Wohlstand in Deutschland erzählen wollen. Natürlich, jeder bekommt einen vollen Magen, ein Dach über dem Kopf und medizinische Versorgung, womit üblicherweise jegliches Genörgel brutal niedergeknüppelt wird, weil es den Menschen in Afrika ja noch schlechter geht. Man kann das auch als Errungenschaft feiern, wenn man will. Ich glaube auch nicht, daß die materielle Versorgung das eigentliche Problem ist, sondern vielmehr, daß Menschen von der Gesellschaft ausgeschlossen und mit Hartz IV ruhiggestellt werden. Mit anderen Worten: Selbst wenn die soziale Absicherung ausreichend sein mag, so reichen die Möglichkeiten, dort wieder herauszukommen, definitiv bei weitem nicht aus. Das spiegelt sich in der Statistik wider in der hartnäckig hohen Langzeitarbeitslosigkeit.
Der Wohlstand, von dem Du sprichst, geht an denen, die aus Protest gegen die Demokratie stimmen, weitgehend vorbei. Bzgl. dieser Menschen versagt die Politik definitiv.
(Ich hoffe doch inständig, daß Du von der zunehmenden Verwässerung der Arbeitslosenstatistik etwas mitbekommen hast. Hier mal eine differenzierte Betrachtung dazu: http://forum.ingame.de/quake/showthread ... ost4077530 Was sollen diese Menschen denn denken, wenn die Politik selbst ihre Existenz nicht ernstnimmt und man stattdessen versucht, sie aus der Statistik zu streichen? Aus den Augen, aus dem Sinn? Wie sollen diese Menschen da noch Vertrauen zur Politik haben?)

Original geschrieben von Gustavo
Heute wählen Menschen, denen es immernoch sehr gut geht, rechte Parteien; eigentlich eine Beleidigung der noch Lebenden, die den Terror der Nazis miterlebt haben, ganz zu schweigen derer, die daran gestorben sind.
Ach, ihnen geht es (immer noch) sehr gut? Warst Du schon mal in einer finanziellen Notlage? Hast Du schon mal (über Jahre) von ALG II gelebt? Hast nur Absagen bekommen? Bist Du schon mal so tief unten gewesen, daß Du Dir völlig nutzlos vorkamst, weil nichts zu helfen schien, egal was Du versucht hast? Von dieser Sorte gibt es mittlerweile Millionen Menschen in Deutschland (das sind die, von denen Du wahrscheinlich nur in der Zeitung liest).

Man könnte diese "Beleidigung" (die es meiner Meinung nach in der Tat ist, aber wenigstens sollte man sich um die Hintergründe bemühen) langsam mal als Hinweis oder "Wink mit dem Zaunpfahl" verstehen und sich um Lösungen bemühen. Dazu gehört zuallererst, daß man eine ehrliche Statistik macht und anerkennt, daß es überhaupt ein Problem gibt. Die Politik ist in der Pflicht.

Original geschrieben von Gustavo
Die Politikverdrossenheit lässt sich meiner Meinung zum größten Teil auf die Bürger zurückführen und ganz bestimmt nicht auf die Politik, die als großes Ganzes gesehen in den letzten 60 Jahren gute Arbeit geleistet hat. Ich finde es in höchstem Maße anmaßend, einen Kausalverlauf zu basteln, der die Politik dafür haftbar macht, dass einige Wähler einfach nur Ochsen sind. Die Idee, Demokratie in den Schulen zu unterrichten, ist sicher keine schlechte, aber im Grunde müsste es selbstverständlich sein, an die Demokratie zu glauben, wenn man nur einen Funken Verstand und ein lächerlich geringes Maß an Auffassungsgabe besitzt. Politikverdrossenheit ist eine Sache, politische Apathie eine andere. Die gibt den "Feinden der Freiheit" durchaus recht und für die können die Bürger haftbar gemacht werden.
Das ist schlecht beobachtet, glaube ich. Persönlich kann ich weder an mir noch in meinem Umfeld eine Politikverdrossenheit feststellen. Eine Verdrossenheit ist dennoch offensichtlich in Deutschland vorhanden und die sehe ich auch bei mir. Doch wie stellt sich diese dar? Man ist verdrossen und mit der Politik unzufrieden, also macht man kurzerhand eine Politikverdrossenheit daraus? Das ist zu platt.

Man kann sich ganz neutral mit dem Thema auseinandersetzen, ohne emotional darin aufzugehen. Egal, ob man nun über politische Systeme allgemein, speziell die Demokratie, Marktwirtschaft etc. nachdenkt, gibt es überhaupt keinen Grund, verdrossen zu sein. Wie es derzeit in Deutschland läuft, ist dabei bestimmt nicht das Maß aller Dinge.
Demokratie und Marktwirtschaft existieren aber nicht von selbst, sondern sie werden von Menschen mit Leben gefüllt. Du sagst, die Politik hat in den letzten 60 Jahren als großes Ganzes gesehen gute Arbeit gemacht, dem ich natürlich zustimme. An dieser Stelle sehen wir selbstverständlich auch, daß nicht alle Menschen, sondern nur eine Minderheit bei den letzten Wahlen gegen die Demokratie gewählt hat. Dieser Minderheit würde es bei einem anderen Verlauf in der Vergangenheit sicher wesentlich schlechter gehen, als das heute der Fall ist, keine Frage. Man wählt aber nicht für die letzten 60 Jahre, sondern für eine Legislaturperiode, und da muß man feststellen, daß diese Minderheit heute die große Gruppe der Verlierer ist. Deshalb ist so ein Blick auf die Zeit seit dem Krieg in dem Zusammenhang total sinnlos, weil es das Gegenteil einer differenzierten Untersuchung ist, die man hier machen muß.
Die "Ochsen", wie Du sie nennst, sind fast ausschließlich Menschen, die in unserer Demokratie eben genau keine Perspektive mehr für sich sehen. Es ist weder anmaßend noch Bastelei, zwischen der Politik und der Lage dieser Menschen einen kausalen Zusammenhang herzustellen, sondern er ist definitiv vorhanden. Bspw. hat in Österreich und Dänemark die Lockerung des Arbeitsmarktes (u. a. Abschaffung des Kündigungsschutzes) dazu geführt, daß es praktisch keine Langzeitarbeitslosen mehr gibt. Hier schottet unser rigider Arbeitsmarkt Arbeitsplatzbesitzer systematisch von den Arbeitslosen ab. Statt die Sorgen und Nöte der Arbeitslosen zu beachten, versucht man sie aus der offiziellen Statistik zu drücken, um sie danach ignorieren zu können und sich in Sonntagsreden beklatschen zu lassen ob des tollen wirtschaftlichen Aufschwunges. Wir können nun beliebig weitermachen mit dem Steuersystem, wo wir jetzt seit vielen Jahrzehnten auf eine echte Reform warten, der hohen Staatsverschuldung usw. usf., aber ich glaube, Du mußt erstmal begreifen, daß diese Menschen ohne Perspektive, die Du als "Ochsen" bezeichnest, die Demokratie, so wie sie in Deutschland umgesetzt wird, satt haben. Für sie bedeutet es nämlich, daß sie von der Mehrheit plattgewalzt werden.
Man kann die Politik natürlich nicht für ihre Wahlentscheidung haftbar machen und man muß sich auch ernsthaft fragen, ob diese Menschen noch alle Latten am Zaun haben, wenn statt demokratischer Parteien LiPa und NPD gewählt werden. Wofür man die Politik aber auf jeden Fall verantwortlich machen kann und muß, ist, daß sie diese Menschen alleine läßt und in eine Situation bringt, aus der sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Die Politik kommt ihrer Pflicht diesen Menschen gegenüber nicht nach - entsprechende Wahlergebnisse sind die Quittung, die Folge, aber nicht die Ursache.

Demnach ist Politikverdrossenheit das falsche Wort. Macht man daraus Politikerverdrossenheit, trifft man den Nagel auf den Kopf (die Diskussion haben wir hier schon ausführlich geführt).
Gustavo
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Beitrag von Gustavo »

Um es kurz zu machen: du hast den Kontext scheinbar vollkommen verkannt, in dem die Äußerungen stehen. Wenn direkt mein zweiter Satz etwas zum Morgenthau-Plan ist, gehe ich davon aus, dass wir nicht über die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen oder der Kaufkraft der Mittelschicht unterhalten, sondern um das große Ganze. Über die Gründe, warum Menschen NPD oder Linkspartei wählen, haben wir hier ja mal gesprochen, ich stelle fest: daran hat sich nichts verändert. Es gibt keine Kausalkette zwischen relativer Armut und dem Wahlgang für extreme Parteien. Du sagst ja selbst: die materielle Versorgung ist gesichert. Worum es geht ist doch, dass diese Menschen einen Sündenbock für ihre eigenen Unzulänglichkeiten suchen und den finden sie in der Politik. Ich will nicht falsch verstanden werden: hier geht es um individuelle Situationen. Der Arbeitsmarkt kann bei weitem nicht allen diesen Leuten Arbeit geben (gerade diese Woche war wieder ein sehr lesenswerter Artikel über den Arbeitsmarkt im Wirtschaftsteil der Zeit, der auch die Verwässerung der Arbeitslosenzahlen thematisiert hat), aber er könnte jedem Einzelnen Arbeit geben. Dass das nicht passiert, ist nicht der Politik zuzurechnen, sondern diesen Personen selbst. Deshalb sehe ich das Versagen in diesem Fall zum größeren Teil bei den Individuen, die sich dazu verführen lassen, NPD oder Linkspartei zu wählen. So viel Einsicht müsste jeder, unabhängig von sozialer Schicht (die es ja nicht gibt :rolleyes: ) und persönlicher Perspektive, besitzen können. In dem Sinn ist es für mich auch kein Argument, "Protest" zu wählen: es gibt genügend Alternativen, seinen Protest dadurch kenntlich zu machen, dass man irgendeine aussichtslose Partei wählt oder seinen Stimmzettel ungültig macht. Wer rechts wählt, aus welchen Gründen auch immer, schaufelt sich sein eigenes Grab.

Nein, ich war noch nicht in einer finanziellen Notlage, aber ich kann von mir behaupten, dass ich letztes und dieses Jahr jede Menge Menschen kennengelernt habe, die schon vor ALG II zu der "Sockelarbeitslosigkeit" gehört haben, die so oft kritisiert wird. Ich hab Menschen gesehen, die sich teilweise selbst zu Grunde richten, aber ich habe auch Menschen gesehen, denen es tatsächlich immernoch sehr gut ging, weil sie die Möglichkeiten genutzt haben, die man ihnen geboten hat. Von daher kann ich durchaus behaupten, zu wissen, wovon ich da eigentlich rede. Das sind keine abstrakten Zahlen, ich kann mir dazu durchaus sehr gut Gesichter vorstellen.

Vielleicht hast du die Aussage über den Kausalverlauf falsch interpretiert, wenn nicht sehe ich nicht, was du mir sagen willst. Mit der Rechtfertigung, die Bundestagswahl ist ein Plebiszit über die laufende Wahlperiode hast du recht, aber das muss man natürlich auch im Kontext sehen: wo habe ich vor 4 Jahren angefangen, wo höre ich auf. Dass die Politik enorme Fehler macht, darüber braucht niemand diskutieren. Aber ich habe immernoch so gar nichts gehört, was aus Politikverdrossenheit und schlechter Lage einen zwingenden Grund macht, rechts oder links zu wählen und die Wahrheit ist, dass das auch nicht so einfach funktioniert, wie es dieses System propagiert, denn in Baden-Württemberg, das im internen Streit der Bundesländer auf den vorderen Plätzen liegt, sind die Republikaner auch zweimal in den Landtag eingezogen. Wer die Demokratie "satt hat", wie du es sagst, der ist, völlig unabhängig von der persönlichen Situation, ein Ochse. Denn einem Ochsen fehlt der Weitblick, zu sehen, wohin ihn seine Protestwahl bringt: nur noch tiefer in Probleme (und dann reden wir auch nicht mehr von Strukturproblemen auf dem Arbeitsmarkt, so gravierend die auch sein mögen). Insofern habe ich vielleicht minimal mehr Respekt vor den Wählern der Linkspartei als vor denen der NPD, da die einen vielleicht wirklich auf eine gerechtere Verteilung der Finanzmittel hoffen (die ja im Grunde in Deutschland nötig ist, da die Kluft zwischen "arm" und "reich" seit 15 Jahren wieder stark ansteigt), während die Wähler der NPD wissen, worauf sie sich einlassen: leichte Lösungen sicherlich, aber zu einem Preis, der nicht akzeptabel sein kann, nämlich systematische Benachteiligung von bestimmten Personengruppen. Und ich glaube nicht, dass sich viele der Wähler der NPD darüber im Unklaren sind, dass dies die Folge sein würde, wahrscheinlich begrüßen die meisten dies sogar. Das ist der Punkt, an dem für mich Rücksicht auf die eigene Lage einfach überschritten ist. Das Recht auf Selbstaufgabe gestehe ich jedem zu und der Fehler der Politik ist es, diese zu begünstigen bzw. sie überhaupt erst möglich zu machen. Wer sich aber selbst aufgibt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie andere Menschen von seiner eigenen Aufgabe betroffen sind, ist für mich ein Ochse.

Die Politikverdrossenheit, die ich anspreche, sehe ich bei mir selbst auch, wenn du es möchtest, kannst du es Politikerverdrossenheit nennen. Fest steht, dass man differenzieren muss zwischen Politikverdrossenheit und politischer Apathie oder wie man es auch immer nennen will.

Bei aller Politkritik muss man doch sagen: Deutschlands Probleme sind Luxusprobleme. Wir können nur den Wohlstand verlieren, den wir mal hatten. Und Vergleiche mit Afrika muten reichlich albern an, aber es ist nun mal eine Tatsache, dass bei uns Leute von 100 auf 98 zurückfallen, während anderswo Leute kämpfen, um auf 10 zu kommen.
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madonna18

Beitrag von madonna18 »

Original geschrieben von Gustavo
Bei aller Politkritik muss man doch sagen: Deutschlands Probleme sind Luxusprobleme. Wir können nur den Wohlstand verlieren, den wir mal hatten. Und Vergleiche mit Afrika muten reichlich albern an, aber es ist nun mal eine Tatsache, dass bei uns Leute von 100 auf 98 zurückfallen, während anderswo Leute kämpfen, um auf 10 zu kommen.

Über die 98 sind wir längst hinaus, Gustavo, im negativen Sinne.
Das Durchschnittseinkommen betrug 2005 monatlich ca. 3318€ brutto.
Wenn jemand arbeitslos wird, erhält er 1 Jahr lang 60% seines letzten Bruttogehalts.
Nach einem Jahr ist Schicht im Schacht, dann gibts pauschal für jeden 345€ + Miete/Heizkosten.
Rein rechnerisch ist das eher von 100 auf 10.

Ich schätze mal, du meinst es in der Gesamtheit aller Deutschen.
Um das einschätzen zu können, bedarf es erst mal genauer Zahlen von der Arbeitsagentur; 4,5 Millionen sind bei ehrlicher Betrachtung wohl eher 7 Millionen oder noch mehr, da sich Menschen, die sich gerade in zeitlich begrenzten Maßnahmen befinden sowie 1€-Jobber nicht in der Statistik wiederfinden.
Das zu den Arbeitslosen.

Bei Menschen, die sich in Arbeit befinden, sollte man das ganze mal grob überschlagen.
Höhere Mieten, Gas- und Strompreise, Benzinkosten, Wegfall der Km-Pauschale, die Inflationsrate - kurz, ich habe nicht den Eindruck, dass ich nur 2% weniger habe, als noch vor einigen Jahren.


@thread:
Ich kann jeden verstehen, der sich heute angewidert von der Politik abwendet, mir gehts da nicht anders obwohl ich noch mit einem Auge hinschiele.
Die Gründe liegen in der Politik selbst.
Bei Pleiten schiebt man jegliche Verantwortung von sich und argumentiert mit mangelnden Einfluss auf die Wirtschaft, gibts mal was positives zu berichten, scheint der Einfluss plötzlich unverkennbar und man schreibt es sich auf die Fahnen...

Handlungen einzelner (Korruption) sowie Parteien (z.B. Parteispendenskandal) haben sicher auch dazu beigetragen, werden aber, zugegebenermaßen, oft durch die Presse aufgebläht.

Letztlich misst jeder den Erfolg oder die Auswirkungen der Politik an seiner eigenen Person; ist da halt immer öfter Ebbe im Portemonnaie aufgrund von Mehrbelastungen, die auf die Kappe der Regierung geht, ist es nicht mehr weit zur Verdrossenheit oder gar Protestwahl.
gnoarch
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Beitrag von gnoarch »

ich bin politikverdrossen.

warum?

weil ich jedes mal, wenn ich die zeitung aufschlage un zu "politik innland" komme kotzen könnte. ehrlichgesagt lese ich in dem teil höchstens noch die überschriften.

was da irgendein politiker genau gesagt hat ist mir sowas von egal, weil es schon 1000x gesagt wurde und mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichekit sowieso nur eine der 08/15 Phrasen ist, die man die letzten 10 jahre jeden tag gehört hat.

was an gesetzen beschlossen wurde, interessiert mich auch immer weniger, weil es in den allermeisten fällen sowieso nur ein schwachsinniger kompromiss ist, der den finalen knall höchstens nochmal 10 jahre aufschiebt - in den meisten jahren muss man aber schon nach 2 jahren nachbessern.

dazu kommt, dass sich viele entscheidungsfindungsprozesse dem verständnis eines normalen menschen(ich bin halbwegs normal) entziehen.

beispiel MWST:

die einen wollen 16 behalten, die anderen 18 - daraus wird dann 19.

um das mal zu sagen: ich würde sogar eine MWST von 22% akzeptieren - und zwar ohne rumzumeckern.
aber ist es denn zuviel verlangt, sowas vorher, _während_ der wahl zu sagen ?
warum kann mir keine partei statt stundenlangen "kampfreden" nicht einfach mal ne schöne liste mit ihren konzepten geben (es ist kein konzept zu sagen "wir wollen die arbeitslosenquote senken, indem wir die wirtschaft ankurbeln !!!) ??


warum soll ich denn wählen gehen ??

ehrlichgesagt kann mich keine partei ansatzweise überzeugen.

wenn ich dann noch sehe, dass leute, die endlich mal was anpacken wollen und mal _sinnvolle_ und _echte_ reformen auf den weg bringen wollen nicht nur von den gegnerischen sondern sogar von der eigenen partei demontiert werden (Kirchhoff), frage ich mich auch ernsthaft, warum ich eigentlich nicht NPD wählen gehe.
ich glaube im moment hält mich nur noch meine gute erziehung davon ab.

und dann schaue ich mal ne polittalkshow und was sehe ich ??
mehr als die hälfte der zeit werden vergangene eigene verdienste gerühmt und vergangene gegnerische versäumnisse/fehler angeprangert.
verdammt noch mal, das interessiert mich wirklich NULL. genauso wenig wie es mich interessiert, was unsere politiker in den letzten 60 jahren geschafft haben.
Hier geht es darum, was man in der ZUKUNFT machen will. und da hat meinem eindruck nach niemand ahnung - oh doch natürlich: in erster linie will man wahlen gewinnen....




warum sollte ich da noch wählen gehen ???
Rex*Cramer

Beitrag von Rex*Cramer »

Original geschrieben von Gustavo
Um es kurz zu machen: du hast den Kontext scheinbar vollkommen verkannt, in dem die Äußerungen stehen. Wenn direkt mein zweiter Satz etwas zum Morgenthau-Plan ist, gehe ich davon aus, dass wir nicht über die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen oder der Kaufkraft der Mittelschicht unterhalten, sondern um das große Ganze.
Glaube ich nicht, denn hier geht es um Politikverdrossenheit und damit zwangsläufig auch um das verstärkt auftretende Phänomen der Protestwähler. Du magst zwar davon ausgehen, daß wir hier über das große Ganze reden, aber mir kommt es eben so vor, daß dieser Kontext, in den Du das Thema setzen willst, vollkommen unangebracht ist. Leuten, die verzweifelt sind und keine Perspektive haben, kann man mit solchen Sprüchen vom großen Ganzen nicht kommen. Das wäre ungefähr so, als würde ich jemandem, der gerade mit einem Arm in eine Kreissäge geraten ist, entspannt erläutern wollen, er solle sich nicht so anstellen, denn schließlich seien andere Menschen viel schlimmer dran, z. B. die auf Landminen treten, zu denen er im Vergleich auf hohem Niveau jammere. Weiter sei zu bedenken, daß er doch über Jahrzehnte körperlich unversehrt gewesen ist, in dem Kontext sehr zufrieden sein sollte und daher das spritzende Blut für eine langfristige Betrachtung keine Rolle spiele. Was für ein Trost!

Um das für Dich deutlich zu machen: Die Menschen interessieren sich einen Dreck für die letzten 60 Jahre, denn das hilft ihnen überhaupt nicht weiter.
Du kannst ja gerne darüber referieren, aber wenn Du meinst, daß das auch nur einen Langzeitarbeitslosen befriedigt, dann bist Du derjenige, der hier gewaltig die Situation verkennt.

Original geschrieben von Gustavo
Über die Gründe, warum Menschen NPD oder Linkspartei wählen, haben wir hier ja mal gesprochen, ich stelle fest: daran hat sich nichts verändert.
Genauer: Die Politik hat sich bisher weder an die Ursachen herangemacht noch überhaupt über diese nachgedacht, _warum_ sich immer mehr Menschen so verhalten bzw. abwenden. Von Problemlösungen ganz zu schweigen.

Original geschrieben von Gustavo
Es gibt keine Kausalkette zwischen relativer Armut und dem Wahlgang für extreme Parteien. Du sagst ja selbst: die materielle Versorgung ist gesichert. Worum es geht ist doch, dass diese Menschen einen Sündenbock für ihre eigenen Unzulänglichkeiten suchen und den finden sie in der Politik. Ich will nicht falsch verstanden werden: hier geht es um individuelle Situationen. Der Arbeitsmarkt kann bei weitem nicht allen diesen Leuten Arbeit geben (gerade diese Woche war wieder ein sehr lesenswerter Artikel über den Arbeitsmarkt im Wirtschaftsteil der Zeit, der auch die Verwässerung der Arbeitslosenzahlen thematisiert hat), aber er könnte jedem Einzelnen Arbeit geben. Dass das nicht passiert, ist nicht der Politik zuzurechnen, sondern diesen Personen selbst. Deshalb sehe ich das Versagen in diesem Fall zum größeren Teil bei den Individuen, die sich dazu verführen lassen, NPD oder Linkspartei zu wählen.
Ach so, allen nicht, aber weil ja jeder Einzelne für sich Hundertausenden offenen Stellen gegenübersteht, ist es ein Versagen der Bürger? Dieser Absatz ist absoluter Schwachsinn und der mit Abstand dümmste, den ich je von Dir gelesen habe. Auch wenn ich sonst Deine Beiträge sehr schätze, aber das hier kann man leider nicht netter beschreiben.

Ich wußte noch gar nicht, daß jetzt die Arbeitslosen die Rahmenbedingungen setzen und nicht mehr der Staat. Da muß mir wohl eine Schlagzeile entgangen sein ...
Auch habe ich noch nicht mitbekommen, daß die Politik nun offenbar überhaupt keine Verantwortung mehr trägt. Unglaublich. Von der Grundgesetzänderung, daß das Ziel der Vollbeschäftigung jetzt aufgegeben wurde, ist mir ebenfalls nichts bekannt.

Nur so als Hinweis, falls Du diesen Absatz zu rechtfertigen versuchen solltest, wie unhaltbar Deine Position hier ist: Mit dem Satz, daß Du die Schuld (gar) nicht bei der Politik siehst, sondern ausschließlich jenen Personen zuschreibst, streitest Du automatisch sämtliche (wirtschaftlichen) Zusammenhänge zwischen allen Problemen, die wir haben, wie z. B. dem Steuerchaos, Murks im Gesundheitswesen usw. usf., und Arbeitslosigkeit ab. Demnach wäre es völlig egal, was die Politik macht, es wären immer die Menschen selbst schuld, wenn sie arbeitslos sind.
Erkennst Du inzwischen den Bock, den Du hier geschossen hast? :D

Ich will das gerne noch deutlicher machen: In Diskussionen zum bedingungslosen Grundeinkommen findet man immer die selten dämliche Erklärung für Arbeitsloskeit, daß angeblich nicht genug Arbeit vorhanden sei. Nun, Arbeit ist im Prinzip unbegrenzt vorhanden - das hier ausführlich zu diskutieren, führt aber sicher zuweit. Der Hinweis, daß die reguläre Wirtschaft kaum Probleme hätte, wenn sie Wachstumsraten aufweisen würde, wie sie die Schattenwirtschaft seit Jahren hat, reicht wohl aus, um das Versagen des Staates und damit der Politik zu erkennen. Schon daran, weil die Schwarzarbeit boomt, sollte man sehen können, daß im Grunde viel mehr Arbeit vorhanden ist, als in regulären Arbeitsplätzen zur Verfügung steht. Oder willst Du jetzt immer noch behaupten, auch das sei die Schuld der Bürger und die Politik hätte mit diesem Umstand gar nichts zu tun? ;)

Original geschrieben von Gustavo
So viel Einsicht müsste jeder, unabhängig von sozialer Schicht (die es ja nicht gibt :rolleyes: ) und persönlicher Perspektive, besitzen können. In dem Sinn ist es für mich auch kein Argument, "Protest" zu wählen: es gibt genügend Alternativen, seinen Protest dadurch kenntlich zu machen, dass man irgendeine aussichtslose Partei wählt oder seinen Stimmzettel ungültig macht. Wer rechts wählt, aus welchen Gründen auch immer, schaufelt sich sein eigenes Grab.
Für mich (persönlich) gibt es auch kein Argument, extremistische Parteien zu wählen. Du siehst das selbstverständlich vollkommen richtig, daß man sich damit sein eigenes Grab schaufelt. Hier geht es aber nicht darum, wie wir abstimmen oder was wir für richtig oder falsch halten, sondern entscheidend ist, daß es tatsächlich Menschen gibt, die extrem wählen. Es gilt, sie zu verstehen und ihnen ggf. zu helfen, wenn man das abstellen will. Dagegen helfen keine Parteiverbote, denn die lösen die ursächlichen Probleme ja nicht.
Das war jetzt geschwafelt, aber ich wollte nur nochmal klarstellen, worüber wir reden. Hier sind wir uns wahrscheinlich einig.

Du sagst, jeder müßte soviel Einsicht haben, um das zu erkennen. Oben bezeichnest Du die Wähler extremistischer Parteien als Ochsen und sprichst ihnen jeglichen Verstand ab. Auch an anderer Stelle habe ich schon gelesen, wie Du ihr Verhalten auf Dummheit zurückführst. Das erscheint auch alles auf den ersten Blick plausibel, aber dennoch glaube ich, so absurd das zunächst klingen mag, daß genau hier der (Dein) Denkfehler liegt. Du oder auch die meisten Politiker erklären alle Wähler demokratiefeindlicher Parteien für dumm. Andere Möglichkeiten scheiden direkt aus. Als Lösung wird mehr politische Bildung vorgeschlagen. (Aus dieser möglicherweise falschen Einschätzung ergeben sich dann leider unsinnige Schlußfolgerungen, wie die von Dir oben, daß jeder selbst schuld sei etc.)
Mir scheint es so, als würde die Sache an dieser Stelle nicht genau genug untersuchst werden. Zu welchen Ergebnissen kommen wir denn, wenn wir für einen Augenblick annehmen wollen, daß es sich bei Protestwählern nicht nur um Schwachköpfe handelt? Tja, dann wird die Sache plötzlich viel komplizierter, denn die Protestwähler einfach als dumm abzustempeln, die es nur nicht begriffen haben, war ja ganz einfach. Jetzt taucht die Frage nach ihren Motiven auf. Und auch, aus welcher Lage heraus jemand so eine Entscheidung trifft. Was ist, wenn jemand aus Protest rechts- oder linksextrem wählt, _obwohl_ er politisch informiert ist und weiß, daß er sich damit sein eigenes Grab schaufeln würde, _falls_ zuviele andere Menschen auch so handelten? Wie interpretieren wir das? Naheliegend scheint mir zu sein, daß so gesehen die Verzweiflung und Perspektivlosigkeit noch viel größer ist, als bei der Annahme, daß das alles bloß Idioten sind. Das heißt im Klartext, daß das Alarmsignal, das durch die Protestwähler ausgesandt wird, auch viel größer ist, als man üblicherweise annimmt.
Hier muß man nochmal richtig nachdenken, ob man es sich nicht viel zu einfach macht, indem man Protestwähler stumpf als ungebildet abtut.

Wen soll jemand, der langzeitarbeitslos ist, denn wählen?
Die SPD? Die hat noch nie was für die Arbeitslosen getan. Und jetzt nach Hartz IV? Wohl kaum.
Die Union? Die ganzen guten Programmpunkte von Merkel vor der Wahl sind ihr alle wehrlos vernichtet worden.
Kohl hat schon von der Halbierung der Arbeitslosigkeit gesprochen, woraus nichts geworden ist. Schröder wollte mit den "Hartz-Gesetzen" 3 Mio. Arbeitslose von der Straße schaffen - ein totaler Fehlschlag. Wobei noch schlimmer an der Sache war, daß ja von vorneherein feststand, daß das gar nichts bringen konnte. Die reinste Verarschung.
Und jetzt? Mindestlohn auf der einen Seite, Investivlohn auf der anderen. Beides Placebos, die bestenfalls keinen Schaden anrichten.
Gute Konzepte, die vorne ins Parlament reinkommen, aber am Ende total verwässert und meistens nutzlos rauskommen, gibt es nicht mal mehr. Wie soll die Politik heute zu was führen, wenn die Ideen am Anfang schon sinnlos sind?

Die Protestwähler, die Du als Ochsen bezeichnest, sind über die Differenzierung zwischen demokratischen und extremen Parteien längst hinaus. Man könnte es vielleicht so formulieren, daß die Hemmschwellen gesunken sind. Der Grund dafür ist nicht, daß die rechts- und linksextremen Parteien weniger gefährlich sind, sondern die demokratischen Parteien immer schlechtere Arbeit machen.
Ich wünsche mir auch, daß NPD und LiPa ganz schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Dafür ist es aber _notwendig_, daß die demokratischen Parteien ihren Hintern hochkriegen und endlich wieder Politik machen, statt sich nur permanent selbst zu bekriegen.


Wenn wir jetzt doch einen Blick aufs große Ganze wagen wollen, so unterstützt das nur meine These, je nach dem wie wir Politikverdrossenheit definieren. Grenzen wir die Politikerverdrossenheit ab, so muß man feststellen, daß es sich nicht um einen Verdruß am politischen System an sich handeln kann, das uns viele Jahrzehnte Frieden, Wohlstand, Sicherheit und Freiheit gebracht hat, denn es gab daran schließlich gar keine Veränderungen, die für die schlechten Ergebnisse von Politik heute verantwortlich sein könnten. Damit ist die Demokratie selbst aus dem Schneider und die Politiker geraten in den Fokus. Schon sind wir bei der Politikerverdrossenheit.
So wie heute gelogen wird in Wahlkämpfen und mittlerweile jedes Mittel recht ist, um politische Gegner zu diskreditieren um jeden Preis, auch zum Nachteil für Deutschland, ist das leicht nachvollziehbar.

Original geschrieben von Gustavo
Aber ich habe immernoch so gar nichts gehört, was aus Politikverdrossenheit und schlechter Lage einen zwingenden Grund macht, rechts oder links zu wählen und die Wahrheit ist, dass das auch nicht so einfach funktioniert, wie es dieses System propagiert, denn in Baden-Württemberg, das im internen Streit der Bundesländer auf den vorderen Plätzen liegt, sind die Republikaner auch zweimal in den Landtag eingezogen.
Du wirst keinen zwingenden Grund hören, da die Frage unpassend ist, denn Verzweiflung und Perspektivlosigkeit sind subjektiv und haben wenig mit Logik zu tun. Darauf zielte meine Anmerkung ab, daß Du offensichtlich keine persönliche Erfahrungen mit Notlagen und jahrelangen Enttäuschungen hast.

Die Republikaner und die NPD sind zuweit auseinander, um sie in diesem Zusammenhang in einen Topf zu werfen. Außerdem sind auch schon früher rechte Parteien in Landtage eingezogen, doch das waren immer nur Momentaufnahmen. Das sieht heute leider anders aus.

Original geschrieben von Gustavo
Wer die Demokratie "satt hat", wie du es sagst, der ist, völlig unabhängig von der persönlichen Situation, ein Ochse.
Der Ochse bist Du, denn ich habe nirgens gesagt, daß irgendjemand die Demokratie satt hat. Ich habe davon gesprochen, wie die Demokratie (derzeit) in Deutschland umgesetzt wird - und da sind wir bei den Politikern, nicht der Demokratie selbst.

Original geschrieben von Gustavo
Denn einem Ochsen fehlt der Weitblick, zu sehen, wohin ihn seine Protestwahl bringt: nur noch tiefer in Probleme (und dann reden wir auch nicht mehr von Strukturproblemen auf dem Arbeitsmarkt, so gravierend die auch sein mögen).
Es könnte auch so sein, daß der Weitblick darin besteht, daß so oder so kein Licht am Ende des Tunnels kommen wird. Der Neid würde dann dazu führen, daß man anderen Menschen kein besseres Leben gönnt und man deshalb destruktiv wählt.
Man kann es auch so sehen, daß nach dem Wählen von demokratischen Parteien, nach dem Übergang zum Nichtwähler nach allerlei falschen Versprechungen und Wahlbetrügereien die Protestwahl den größtmöglichen Hilfeschrei verzweifelter Menschen darstellt.
Ebenfalls ist eine Entwicklung möglich, an die ich lieber nicht denken möchte: Die NSDAP hat damals davon profitiert, daß die Menschen enttäuscht waren und den etablierten Parteien die Lösung der Probleme nicht mehr zugetraut haben, so daß einfach mal was neues ausprobiert wurde.

Wir sehen: Es gibt viele Erklärungen für das Phänomen der Protestwähler. Sie einfach nur für blöd zu erklären, ist nicht ausreichend.
Natürlich hilft das überhaupt nicht weiter und die Lage wird dadurch verschlechtert, aber unabhängig von den Gründen gibt es nur einen Ausweg: die demokratischen Parteien _müssen_ wieder anfangen, Politik für das Volk und nicht ausschließlich für sich selbst zu machen.

Original geschrieben von Gustavo
Insofern habe ich vielleicht minimal mehr Respekt vor den Wählern der Linkspartei als vor denen der NPD, da die einen vielleicht wirklich auf eine gerechtere Verteilung der Finanzmittel hoffen (die ja im Grunde in Deutschland nötig ist, da die Kluft zwischen "arm" und "reich" seit 15 Jahren wieder stark ansteigt), während die Wähler der NPD wissen, worauf sie sich einlassen: leichte Lösungen sicherlich, aber zu einem Preis, der nicht akzeptabel sein kann, nämlich systematische Benachteiligung von bestimmten Personengruppen. Und ich glaube nicht, dass sich viele der Wähler der NPD darüber im Unklaren sind, dass dies die Folge sein würde, wahrscheinlich begrüßen die meisten dies sogar.
Man könnte auch sagen, die Linken haben den systemimmanenten Nationalismus ihrer Ideologie immer noch nicht kapiert, daher sind sie noch dümmer. Gleichzeitig halten sie sich aber moralisch für wertvoll, während die Rechten das bewußt akzeptieren. Was davon nun besser sein soll, ist müßig zu diskutieren. Das ist ein Unterschied wie zwischen Kuhmist und Katzenscheiße.

Original geschrieben von Gustavo
Das ist der Punkt, an dem für mich Rücksicht auf die eigene Lage einfach überschritten ist. Das Recht auf Selbstaufgabe gestehe ich jedem zu und der Fehler der Politik ist es, diese zu begünstigen bzw. sie überhaupt erst möglich zu machen. Wer sich aber selbst aufgibt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie andere Menschen von seiner eigenen Aufgabe betroffen sind, ist für mich ein Ochse.
Nein, das ist teil des o. g. Denkfehlers: Du gestehst ihnen zwar die Selbstaufgabe zu, aber der Staat hat nicht das Recht, auch nur einen Bürger aufzugeben! Er steht in der Pflicht, die Rahmenbedingungen so zu setzen, daß _alle_ Menschen die Möglichkeit haben, etwas aus sich zu machen. Das ist aber nicht gegeben bei dem Chaos, daß unsere Politiker teilweise anrichten. Millionen werden gar systematisch ausgeschlossen. Die Forderung, daß diese doch brav demokratisch zu wählen haben, mutet geradezu grotesk an (für sie).

Original geschrieben von Gustavo
Die Politikverdrossenheit, die ich anspreche, sehe ich bei mir selbst auch, wenn du es möchtest, kannst du es Politikerverdrossenheit nennen. Fest steht, dass man differenzieren muss zwischen Politikverdrossenheit und politischer Apathie oder wie man es auch immer nennen will.
Oder man sieht das als Spektrum zwischen totaler Zufriedenheit und totaler Unzufriedenheit, indem man sich je nach persönlicher Lage hin- und herbewegt. Ein Staat oder eine Demokratie sollte es vermeiden, daß viele Menschen auf Dauer unzufrieden oder unglücklich sind. Sonst wenden sie sich ab. Genau das passiert zur Zeit.

Original geschrieben von Gustavo
Bei aller Politkritik muss man doch sagen: Deutschlands Probleme sind Luxusprobleme. Wir können nur den Wohlstand verlieren, den wir mal hatten. Und Vergleiche mit Afrika muten reichlich albern an, aber es ist nun mal eine Tatsache, dass bei uns Leute von 100 auf 98 zurückfallen, während anderswo Leute kämpfen, um auf 10 zu kommen.
Hier unterliegst Du einem gewaltigen Irrtum: Das war vielleicht mal so, vor dem Zusammenbruch des Ostblocks, daß Arbeitslose großzügig alimentiert wurden, aber es weht schon lange ein ganz anderer Wind. Von einem guten Gehalt nach nur einem Jahr auf ALG II zurückzufallen, ist gewiß etwas ganz anderes, als Du uns mit Deinem "von 100 auf 98" glauben machen willst.
Es ist auch kein Luxusproblem - weit gefehlt. So bezeichnet man gemeinhin Probleme, die eigentlich keine sind. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist aber wesentlich durch Geringqualifizierte und vor allem die hohe Langzeitarbeitslosigkeit gekennzeichnet. Gerade hier ist es aber so, daß wir im Vergleich zu allen anderen Industrieländern weltweit das mit Abstand größte Problem mit Langzeitarbeitslosigkeit haben. Das ist das Gegenteil eines "Luxusproblems". Es dennoch so zu bezeichnen, ist eine Unverschämtheit gegenüber den Arbeitslosen.

Und was macht nun Hartz IV? Da ist der Verlust des Wohlstandes, der mal vorhanden war, nicht nur pure Theorie, sondern diesen Menschen passiert das tatsächlich.
Du sagst das so, als wäre das keine große Sache. Man kann stattdessen endlich mal die Ursachen abstellen. Und da ist wieder die Politik gefragt. An dem Tag jedenfalls, an dem Deutschland offiziell sagst, es mache nichts, Wohlstand zu verlieren, wir nehmen das hin, um keine vernünftige Politik machen zu müssen, packe ich meine Koffer.
Das "nur" ist in Deinem Satz falsch. Viele Menschen verlieren ihren Wohlstand. Aber ich möchte wetten, keiner von ihnen stellt das so dar, wie Du es hier tust.

Es ist immerhin schön, daß Du anerkennst, daß Vergleiche mit Afrika oder beliebigen Ländern, wo es Menschen wesentlich schlechter geht, zu nichts führen. Dann wirst Du hoffentlich spätestens jetzt erkannt haben, daß der Blick "aufs große Ganze", die letzten 60 Jahre oder was auch immer, genauso wenig Sinn macht.

Vielleicht bist Du nun auch bereit, den Kern von Langzeitarbeitslosigkeit zu sehen: Dahinter stehen Menschen, die lange keinen Job mehr hatten und oftmals jegliche Hoffnung verloren haben. Du wirst sicher auch mitbekommen haben, daß Menschen im Alter von über 50 Jahren kaum noch Aussichten haben, wenn sie arbeitslos werden. Die Zahl der Arbeitslosen und vor allem der mehr oder weniger hoffnungslosen Fälle bewegt sich in Richtung eines unerträglichen Maßes für den Staat und die Demokratie.
Mir fällt das sehr schwer zu glauben, daß Du das allen Ernstes als Luxusproblem und Schuld dieser Menschen hinstellst.
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Uriel
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Beitrag von Baidu Suchmaschine »

Original geschrieben von gnoarch

beispiel MWST:

die einen wollen 16 behalten, die anderen 18 - daraus wird dann 19.

um das mal zu sagen: ich würde sogar eine MWST von 22% akzeptieren - und zwar ohne rumzumeckern.
aber ist es denn zuviel verlangt, sowas vorher, _während_ der wahl zu sagen ?
warum kann mir keine partei statt stundenlangen "kampfreden" nicht einfach mal ne schöne liste mit ihren konzepten geben (es ist kein konzept zu sagen "wir wollen die arbeitslosenquote senken, indem wir die wirtschaft ankurbeln !!!) ??

Die Politik macht nur was der Wähler von ihr fordert. Wenn ehrliche Politiker gewählt würden, dann wären Politiker ehrlich. Das macht einen Rüttgers zwar nicht weniger widerwärtig und nimmt ihm auch nicht die Verantwortung für seine Aussagen, aber letztendlich sind wir es, die diese Figuren erschaffen und ihnen zur Macht verhelfen.
Original geschrieben von gnoarch

wenn ich dann noch sehe, dass leute, die endlich mal was anpacken wollen und mal _sinnvolle_ und _echte_ reformen auf den weg bringen wollen nicht nur von den gegnerischen sondern sogar von der eigenen partei demontiert werden (Kirchhoff), frage ich mich auch ernsthaft, warum ich eigentlich nicht NPD wählen gehe.
ich glaube im moment hält mich nur noch meine gute erziehung davon ab.
Wo liegt denn da bitte der Zusammenhang? Unsere Demokratie funktioniert nicht ganz so gut wie sie könnte, also schaffen wir sie ab und wählen NPD? Unsere Wirtschaft läuft nicht ganz so gut wie wir wollen, also bringen wir sie vollends zum Zusammenbrechen und wählen PDS? Selten so etwas bescheuertes gehört.
Mit freundlichen Grüßen
Tanzverbot
Rex*Cramer

Beitrag von Rex*Cramer »

Original geschrieben von gnoarch
was da irgendein politiker genau gesagt hat ist mir sowas von egal, weil es schon 1000x gesagt wurde und mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichekit sowieso nur eine der 08/15 Phrasen ist, die man die letzten 10 jahre jeden tag gehört hat.
Es müssen nicht nur Phrasen sein, es gibt durchaus auch viele gute Ideen und Konzepte, die man sich auch zum soundsovielten Male reinzieht. Warum? Weil kaum ein Problem gelöst wird. In Deutschland wird diskutiert, abgewogen, ergänzt, verändert, zurechtgebogen und was weiß ich nicht alles bis zum Erbrechen. Und dann? Ja, dann passiert nichts. Außer Spesen nichts gewesen.

So wie mit der großen Steuerreform: Es gibt über den Stufentarif der FDP, dem Konzept von Kirchhof oder einer Negativsteuer, wie von einigen anderen Fachleuten propagiert, viele gute Möglichkeiten, die alle um Welten besser sind, als dieses Wirrwarr, das wir jetzt Steuersystem nennen. Aus Angst, wir könnten uns möglicherweise nur für das zweitbeste System entscheiden, machen wir lieber nichts - merken dabei aber nicht, daß das die mit Abstand schlechteste Wahl ist.

Deutschland hat in erster Linie ein Umsetzungsproblem. Es gibt soviele Dinge, die bereits seit _Jahrzehnten_ diskutiert werden, es ist wirklich unglaublich. Und warum kommt immer alles wieder auf den Tisch, obwohl man es nicht mehr hören kann? Weil so gut wie nichts beschlossen und gelöst wird. Manchmal hat man das Gefühl, politische Diskussionen sind reiner Selbstzweck.

Original geschrieben von gnoarch
und dann schaue ich mal ne polittalkshow und was sehe ich ??
mehr als die hälfte der zeit werden vergangene eigene verdienste gerühmt und vergangene gegnerische versäumnisse/fehler angeprangert.
verdammt noch mal, das interessiert mich wirklich NULL. genauso wenig wie es mich interessiert, was unsere politiker in den letzten 60 jahren geschafft haben.
Hier geht es darum, was man in der ZUKUNFT machen will. und da hat meinem eindruck nach niemand ahnung - oh doch natürlich: in erster linie will man wahlen gewinnen....
Mich auch nicht. Diese Selbstzufriedenheit der Politik ist wirklich zum Kotzen.
Meiner Meinung nach gibt es genug Leute auch in der Politik, die Plan haben. Nur werden die i. d. R. zuerst niedergeknüppelt, denn sie sind die größte Gefahr für die ganzen Nichtsnutze, die nicht qualifiziert sind.
gnoarch
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Registriert: Mai 2002

Beitrag von gnoarch »

Die Politik macht nur was der Wähler von ihr fordert. Wenn ehrliche Politiker gewählt würden, dann wären Politiker ehrlich. Das macht einen Rüttgers zwar nicht weniger widerwärtig und nimmt ihm auch nicht die Verantwortung für seine Aussagen, aber letztendlich sind wir es, die diese Figuren erschaffen und ihnen zur Macht verhelfen.



also damit machst du es dir aber verdammt einfach. wen soll ich denn wählen, wenn ich keien idioten will ??

leider beträgt die idiotenquote in jeder partei mehr als 50% - die einzige möglichkeit, keinen idioten zu wählen, ist gar nicht zu wählen. dazu haben sich btw mehr als 20% bei der letzten wahl entschieden.

Ja, ich sage bewusst entschieden. denn vergessen haben das wohl die wenigsten, so wie man in zeitung, tv, radio und auch ansonsten damit konfrontiert wurde.
diese tatsache, dass 20% der bevölkerung niht mehr wählen gehen, könnte man als politiker mal genauer hitnerfragen und vllt. als denkanstoss nehmen ..... stattdessen erfindet man unwörter wie "politikverdrossenheit".
toll. ein gesellschaftliches problem erklärt in einem wort.



Wo liegt denn da bitte der Zusammenhang? Unsere Demokratie funktioniert nicht ganz so gut wie sie könnte, also schaffen wir sie ab und wählen NPD? Unsere Wirtschaft läuft nicht ganz so gut wie wir wollen, also bringen wir sie vollends zum Zusammenbrechen und wählen PDS? Selten so etwas bescheuertes gehört.
die meisten leute, die npd wählen, tun das nicht, weil sie die demokratie abschaffen wollen, sondern einfach aus hilflosigkeit.
hilflosigkeit einem riesigen parteienapparat gegenüber, der politik zu einer art selbstzweck gemacht hat.
die menschen fühlen sich hilflos und verarscht, weil ihnen seit 20 jahren das gelbe vom ei versprochen wird, und kein einziges dieser 1000000000 versprechen wahr wurde ...

trotzdem können sie diese politiker nicht abwählen, weil diese in jeder partei gleichermaßen vertreten sind.

npd ist da einfach ein ventil, um der wut auf die politik luft zu machen. ideal ist das nicht - aber trotzdem sehr verständlich imho....
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