Original geschrieben von gnoarch
Yo du hast recht, ich hab mich mit den 100% sehr missverständlich ausgedrückt. eigendlich wollte ich damit nur ausdrücken, dass es ohne zweifel eine demokratische entscheidung war.
Es freut mich, dass wir uns hier anscheinend einigen konnten
Können wir, so formuliert stimme ich dem zu.
Original geschrieben von gnoarch
[Rest]
Wir kommen der Sache näher. Wie gesagt, das mit den Affen war natürlich übertrieben ausgedrückt. Man könnte das Beispiel so vereinfachen, daß man sagt, Wähler sollen ohne Information über einen Sachverhalt entscheiden. Dann paßt das gut zu dem, was Du gesagt hast, wenn sich nur wenige Bürger wirklich intensiv mit den Wahlprogrammen auseinandersetzen, womit es dann zur Gefühlssache wird. Manipulation ist Tür und Tor geöffnet. Das ist das eine Extrem. Das andere wäre die vollständige Information, daß das Volk die ihm zur Wahl gestellten Möglichkeiten exakt versteht mit allen erdenklichen Konsequenzen und eine rationale Entscheidung trifft. Das ist natürlich eine vollkommen utopische Annahme. Selbst ein überdurchschnittlich gebildeter Bürger kann kein Fachmann auf allen Gebieten sein. Jeder kann sich nur entsprechend seiner Kenntnisse nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden.
Das bringt uns letztendlich zur Frage, wo man die Grenze zieht. Wann kann man noch von einer gesunden demokratischen Entscheidung sprechen, wann nicht mehr?
Diese Frage bzgl. des Krieges gegen den Irak zu stellen, ist problematisch. Es hing viel von den gefälschten Beweisen ab. Was passiert wäre bei korrekter Information, weiß man nicht.
Der Knackpunkt ist das dritte Kriterium, das Du gebracht hast. Auf die Information an sich sollte man sich nicht so versteifen. Einerseits wird kaum jemand in allen Sachgebieten gut informiert sein, andererseits gibt es viele Dinge, die sich nicht eindeutig bewerten lassen.
Bspw. Atomkraft: Vielleicht könnten wir jetzt massiv darauf setzen, möglicherweise wird es nie einen Zwischenfall geben, es könnte jemand eine geniale Erfindung zur Entsorgung des Atommülls machen und wir hätten die richtige Entscheidung getroffen, um das Klima zu schützen und nicht noch mehr Gase durch konventionelle Kraftwerke freizusetzen, die den Treibhauseffekt verschlimmern würden. Gibt es ein zweites Tschernobyl, hätten wir die falsche Entscheidung getroffen. Entscheiden wir uns dagegen, weil die Mehrheit sagt, das Risiko sei zu hoch, wäre aber nichts passiert, hätten wir auch die falsche Wahl getroffen. Würde was passieren, wir hätten uns aber dagegen entschieden, wäre die Entscheidung wieder richtig, aber wir wüßten es nicht. Was auch immer wir tun, wir können es nicht mit Sicherheit sagen, was richtig ist. Bei genauerer Überlegung wird man feststellen, daß so gut wie nichts sicher ist. Garantien gibt es nicht. Nur der Tod ist sicher, aber nichtmal da wissen wir, wann er kommt.
Die Frage ist auch, ob gut informierte Bürger überhaupt notwendig sind für den Erhalt der Demokratie. Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen, wie er seine Zeit verbringt. Ist ihm politisches Engagement, und sei es nur das Interesse daran, was vor sich geht, persönlich wichtig? Wenn nicht, dann ist die Wahlentscheidung die er trifft, qualitativ schlechter. Das ist auch bereits eine Entscheidung für seine Rolle innerhalb der Demokratie, wie gut er sich informiert.
Man könnte hier schlußfolgern, daß politisches Interesse sinkt mit dem Grad der Zufriedenheit. Warum etwas reparieren, das nicht kaputt ist? Zumindest habe ich den Eindruck, daß Ende des letzten Jahrhunderts die Bürger hier zu satt geworden sind, das politische Interesse ging merklich zurück. Jetzt, wo es mit Deutschland gar nicht mehr gut aussieht, scheint es wieder anzuziehen.
Außerdem muß das jeder für sich rausfinden, wann er meint sich entscheiden zu können.
So gesehen hast Du das sehr gut ausgedrückt, daß jeder Bürger die Möglichkeit haben muß, zu einer individuellen Entscheidung zu kommen. Solange ihm Wahlprogramme, eine freie Presse etc. zur Verfügung stehen, um sich umfassend und unabhängig zu informieren, ist das gegeben, selbst wenn er sich nur auf die Kumpels vom Stammtisch verläßt, denn das ist seine Sache, wie er damit umgeht.
Was ist nun eine rationale Entscheidung? Das muß natürlich nicht bedeuten, daß alle Wähler einer Meinung sind. Jemandem kann ein Wald in seiner unveränderten Form am liebsten sein zum Spazierengehen, während jemand anderem wichtiger ist, daß dort die neue Autobahn gebaut wird, damit er nicht jeden Tag im Stau steht. Sämtliche Entscheidungen hängen von persönlichen Präferenzen ab, ganz klar.
Möglichst viele "Feinde" bei einem Selbstmordattentat umzubringen, kann auch eine persönliche Präferenz sein, um als Märtyrer zu sterben. Aber so eine Tat noch als aus freien Stücken beschlossen abzutun, fällt mir schwer. An dieser Stelle muß man rationale von irrationalen Entscheidungen abgrenzen. Eine Motivation, die ausschließlich aus Glaube oder Haß herrührt, ohne irgendwie sinnvoll begründbar zu sein, erfüllt für mich nicht mehr das Kriterium, daß sie individuell und ohne maßgebliche Fremdeinwirkung zustande gekommen ist. Manipulation überwiegt hier bei weitem.
In diesem Sinne wäre die Entscheidung, die das palästinensische Parlament träfe, einen Selbstmordattentäter loszuschicken, nicht mehr demokratisch. Denn sie basiert auf Annahmen, die nicht vernünftig nachvollziehbar sind. Sie glauben wirklich, daß derjenige, der sich da in die Luft jagt, danach tatsächlich im Paradies landet oder was auch immer. Ohne diesen Glauben würde niemand bei Verstand mitmachen, sowohl was die Parlamentarier angeht sowie den Attentäter selbst. Das ist definitiv keine Entscheidung, die auch nur in irgendeiner Weise der Vernunft standhält.
Beim Krieg gegen den Irak ist das völlig anders: Hier war die Grundlage die Annahme, Saddam hätte jede Menge WMDs, und man müsse verhindern, daß er damit Unheil anrichtet. Daß das falsch war, hat zu Beginn des Krieges schließlich fast niemand gewußt.
Interessant ist auch die Frage, wann sich jemand frei entscheidet. Letztlich kann man das nicht feststellen. Man weiß nie, ob derjenige die Wahrheit sagt, wenn man ihn fragt, wie er zu seiner Entscheidung gekommen ist. Diesen Punkt kann man sicher unendlich diskutieren, aber ich möchte mich hier darauf beschränken, daß man lediglich nachfragen kann.
Wenn ich ein Kind frage, warum es lieber den grünen statt den roten Lutscher nimmt, und ich als Antwort bekomme, weil der besser schmeckt, dann habe ich keinen Grund anzunehmen, daß das keine freie Entscheidung war. Falls ich aber zu hören bekomme, daß es sonst ein paar hinter die Ohren bekäme, weil Mama nicht will, daß es den Roten nimmt, sieht es offensichtlich anders aus.
Wie sieht das bei islamistischen Selbstmordattentätern aus? Würden diese Menschen das auch machen, wenn ihr Umfeld nicht den Koran auf diese Weise interpretierte? Wohl kaum. Wenn man also als Antwort auf die Frage, warukm er das macht, bekommt, daß er das für Allah tut, dann wird man kaum von einer freien Entscheidung sprechen können.
An den Beispielen soll die Abgrenzung deutlich werden, die ich hier mache: Wird eine Entscheidung getroffen, die primär Auswirkungen ganz für sich persönlich berücksichtigt? Falls dem so ist, ist alles in Ordnung. Wenn nicht, dann kann man annehmen, daß sie von außen gesteuert wird, ob bewußt oder nicht.
Wo ist der persönliche Vorteil eines Selbstmordattentäters? Offensichtlich gibt es keinen, er ist dann tot. Die Entscheidung kann gar nicht frei getroffen worden sein.
Eine Gruppe, die jemanden so manipuliert, daß er zu so einer Tat bereit ist, sein eigenes Leben opfert für irgendeinen abstrakten "Vorteil", glaubt das entweder selber wirklich und ist daher selber manipuliert, oder sie ist es nicht und manipuliert ihrerseits. In beiden Fällen genügt die Entscheidung nicht der Forderung, daß sie individuell und ohne maßgebliche Fremdeinwirkung zustande gekommen ist. Daher ist sie nicht demokratisch, selbst wenn sie von einem demokratisch gewählten Parlament getroffen wurde.
Zu den Leuten, die nur sehr wenig gebildet sind, statt in richtige Schulen zu gehen den Koran studieren: Ich möchte hier keinen Vergleich zu den Affen ziehen, aber so leicht wie sie sich vor den Karren von irgendwelchen Haßpredigern spannen lassen, sind sie weit entfernt von selbstbestimmten Menschen und nah dran, nur Marionetten zu sein.
Eine ideale Demokratie mit vollständiger Information für alle Bürger ist natürlich Blödsinn, realistisch betrachtet. Ist für ihr Funktionieren auch gar nicht notwendig. Aber selbst wenn, dann wären Programme, Plakate und Spitzenkandidaten noch lange nicht überflüssig. Das würde ja nicht bedeuten, daß jeder die Zukunft vorhersagen könnte, sondern nur, daß Ist-Zustand und Absichten bekannt wären. Und auch dann setzt jeder seine eigenen Prioritäten. Diese kann man ändern und man kann dafür werben, daß jemand seine ändert, also machte Wahlkampf trotzdem noch Sinn.
So, sollten an sich nur ein paar Gedanken dazu werden, aber die habe ich wohl doch weiter ausgewalzt. Nun ist aber gut.