Eine Generation kann nicht ihre eigene Altersversorgung organisieren. Das ist prinzipiell unmöglich und genau hier liegt ein Denkfehler. Die Rente, die die ältere Generation bezieht, wird immer in der laufenden Periode erwirtschaftet.
Exkurs: Die Aussage, ein kapitalgedecktes System hätte den Vorteil gegenüber dem Umlageverfahren, daß es nicht von der Bevölkerungsentwicklung abhängig wäre, ist kompletter Unsinn. Der Vorteil wäre, daß die Beiträge nicht zwangsläufig im Inland angelegt werden müßten. Das ginge aber nur, wenn einer überalterten Bevölkerung hier eine besonders junge dort gegenüber stünde, deren junge Generation unsere alte mitversorgt. Das wäre aber aus verschiedenen Gründen nur zu einem geringen Grad möglich, ist also kein Allheilmittel - und auch gar nicht notwendig, wenn man mal genauer drüber nachdenkt.
Original geschrieben von GomJabbar
ich zahle rente und erwarte, dass ich welche im alter zurückbekomme. ich gehe also davon aus, dass ich mich durch meine arbeit für die zukunft versorgt habe. dass das geld, das ich später mal ausgezahlt bekomme, dann defakto von den späteren generationen kommt sollte mir persönlich eigentlich egal sein können.
bzgl. der "gerechtigkeit" sollte also meine schuldigkeit durch die renteneinzahlung erledigt sein.
dass die rente theoretisch nichts mit kinder haben oder nicht haben zu tun hat ist denke ich klar. sie wurde halt künstlich durch den generationenvertrag an die kinder / nachkommen gebunden.
insofern bin ich dagegen hier noch eine stärkere oder weitergehende bindung herzustellen, als sie ohnehin schon existiert.
Das ist der klassische Irrtum. Genau umgekehrt sieht es aus: Die Rente hat nicht nur nichts mit Kindern zu tun, sondern Kinder sind die Grundlage! Und die Bindung ist praktisch gar nicht vorhanden, wird aber dringend benötigt. Dir persönlich kann es ganz und gar nicht egal sein, vom wem das Geld kommt. Selbst bei einem kapitalgedeckten Verfahren nicht.
Stell dir vor, ab heute würden keine Kinder mehr geboren werden. Dann kannst du Rentenbeiträge einziehen oder private Vorsorge betreiben noch und nöcher. Da kann die Generation die modernsten Produktionsanlagen usw. auf der grünen Wiese aufbauen wie sie will, aber was ist das ohne menschliche Arbeit wert? Gar nichts.
Das Problem der Rentenversicherung oder des Generationenvertrages, wie es immer so schön heißt, ist (derzeit) nicht die Bevölkerungsentwicklung. Nur die Denkweise ist falsch.
Es wird immer gesagt, die Jungen würden die Alten versorgen und mit seinen Beiträgen während des Arbeitslebens erwirbt man spätere Ansprüche. Man geht davon aus, daß es zwei Perioden im Leben gibt: Erst arbeitet man für sich und zahlt Beiträge für später, danach bezieht man die Rente. Das stimmt im Grunde nicht, denn Kinder kommen in dieser Betrachtung gar nicht vor. In Wirklichkeit sind es aber drei Lebensabschnitte: Bis man ins Berufsleben eintritt, dann sorgt man für die Rentner und den Nachwuchs und bekommt schließlich selber Rente.
Die Belastung des erwerbstätigen Teils der Bevölkerung kann man demnach so interpretieren: Mit seinen Rentenbeiträgen zahlt man an die Gesellschaft zurück, was man erhalten hat, während man aufgewachsen ist bis zum Abschluß der eigenen Ausbildung. Bis hier hat man schließlich noch keinen oder nur geringen Beitrag geleistet, während die eigene Altersversorgung einer Generation im Aufzug von Kindern, einer nachfolgenden Generation besteht, die später die eigene Versorgung übernimmt.
Verfolgt man die Geldströme, kann man ebenfalls zu dieser Einsicht gelangen: Wie man die Rentenbeiträge als Anspruch hernehmen kann für die eigene Rente, habe ich nie verstanden, schließlich fließt das Geld doch direkt den heutigen Rentnern zu. Man muß sich viel mehr fragen: Was habe ich von den Rentnern bekommen, die ich heute durch meine Beiträge finanziere, steht das im richtigen Verhältnis zueinander, und was leiste ich zum Aufbau einer nachfolgenden Generation, woraus ich später meine Ansprüche begründen kann?
Original geschrieben von GomJabbar
das hat in den anfängen gut funktioniert, als die nachfolgenden generationen immer größer waren als die älteren. da die demographische struktur so aber nicht mehr funktioniert (und auch gar nicht auf dauer permanent steigend funktionieren kann da das zu einer problematischen überbevölkerung führen würde)...
Hier bin ich auch gegenteiliger Meinung. Beispielhaft wird immer der Bevölkerungsbaum von 1910 in Form eines A herangezogen. Augenscheinlich ideal: Eine breite Mitte, wenige Alte zu versorgen und viele Kinder zur Beibehaltung dieses Aufbaus.
Auf den zweiten Blick, wenn man sich an die Interpretation ranmacht, was das für den einzelnen Menschen bedeutet hatte, sieht die Sache ganz anders aus: Eine hohe Sterblichkeit in jeder Altersgruppe, eine niedrige Lebenserwartung und viele Menschen zahlten bis an ihr Lebensende in das System ein, ohne jemals selber Rente bekommen zu haben. Nicht wünschenswert.
Ersetzt man Sterberaten und Lebenserwartung damals durch Werte von heute, wäre so ein Aufbau nur mit stetig steigenden Geburtenraten zu halten. Im Hinblick auf die Überbevölkerung vollkommen ausgeschlossen - wie du richtig erkannt hast.
Ich bin aber nicht der Meinung, daß der heutige Bevölkerungsaufbau ein Problem darstellt, schon gar nicht, wie es ständig dramatisiert wird.
Original geschrieben von GomJabbar
... müsste imho eine abkopplung von demographischen änderungen hergestellt werden und die rente von den kindern unabhängig sein, indem jede generation ihre eigene rente erwirtschaftet (vorsorge - ob durch freiwillige private maßnahmen oder durch staatliche rente sei mal dahingestellt) und nicht die der nachkommen (generationenvertrag).
nur kann ich mir leider keinen sinnvollen funktionierenden weg vorstellen, wie dazu ein systemwechsel vorgenommen werden könnte ohne dass die gesamte finanzsituation nicht noch katastrophaler wird :-/
Ein Rentensystem unabhängig von der demographischen Entwicklung ist unmöglich. Alleine der Gedanke ist Blödsinn. Es wird immer so sein, daß Kinder und Alte von der arbeitenden Bevölkerung versorgt werden. Ein anderes System gibt es nicht. Ob Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren ändert daran nichts.
Gucken wir uns nochmal an, wie die Situation unter Einbeziehung der Kinder aussieht, ist sie längst nicht mehr so bedrohlich: Es ist richtig, daß der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung steigt, aber wir haben gleichzeitig niedrige Geburtenraten. Die Kosten eines Kindes, bis es erwachsen ist und sich selbst versorgt, und die eines Rentners vom Renteneintritt bis zum Tod, unterscheiden sich nicht großartig. Jeder Arbeitnehmer versorgt zwar heute im Schnitt mehr Rentner, aber die Kombination aus zu finanzierenden Rentnern und Kindern zusammen in Relation zu den Erwerbspersonen hat sich langfristig kaum geändert.
Man darf sich hier nicht blenden lassen (von Politikern): Die Forderung nach mehr Einwanderung zur Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung ist weder notwendig, da dadurch die Struktur praktisch nicht beeinflußt wird, noch hilfreich, weil nur die Arbeitslosigkeit noch weiter erhöht wird, während der Ruf nach mehr Kindern noch dümmer ist, denn wenn wir jetzt wieder deutlich höhere Geburtenraten bekommen würden, wäre das der Super-GAU: Geburtenschwache Jahrgänge im erwerbsfähigen Alter ständen vielen Rentnern und vielen Kindern gegenüber - im Bevölkerungsaufbau hätten wir dann ein breites Oberteil, eine schmale Taille (an der alles hängt) und einen breiten Fuß. Das A und das V sind im Prinzip gleich im Verhältnis zwischen arbeitender und nichtarbeitender Bevölkerung, aber mehr Kinder jetzt würden zu einem X führen mit sozialen Spannungen, gegen die die jetzigen geradezu lächerlich sind.
Zur Finanzsituation: Es ist nicht so, als ob der Staat kein Geld hätte. Die Einnahmen sind in den letzten Jahren stärker als das BIP gestiegen und in den nächsten 3 Jahren wird jeweils eine Steigerung von rund 3% erwartet. Beim Wirtschaftswachstum kann man davon nur träumen. Die gesamte Umverteilung ist größer als das Sozialprodukt von Spanien.
Unser Problem ist letztlich ein ganz anderes: die hohe und weiter steigende Arbeitslosigkeit und das stagnierende Wachstum. Aber das ist ein anderes Thema
Das jetzige Rentensystem ist kaum zu überblicken. Wenn man von Generationengerechtigkeit spricht, sieht es noch düsterer aus. Willkürlich festgelegte Renten, Zuschüsse (steuerfinanzierter Teil) und Abflüsse (versicherungsfremde Leistungen) variieren nach Belieben, Kindergeld, Steuerwirrwarr usw. - im Grunde weiß niemand, wer was wofür zahlt und dementsprechend Ansprüche hat.
Sicher ist aber, daß Kinderlose sich finanziell besser stehen. Das muß neu austariert werden. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man das machen kann, z.B. sie über das Steuersystem stärker an den Kosten für die Kindererziehung von Eltern zu beteiligen, deren Kinder sie schließlich einmal versorgen sollen, oder man macht das über höhere Rentenbeiträge.
Zunächst wäre mehr Transparenz dringend notwendig. Dann muß der Gedanke Einzug halten, daß es nicht nur um die Rentner, sondern auch die Kinder geht, die versorgt werden wollen. Eine Umwandlung von Rentenbeiträgen in eine Generationenabgabe, oder wie auch immer man das nennen möchte, die die Kinder berücksichtigt, wäre sicher ein gangbarer Weg. Wahrscheinlich übersichtlicher und deshalb besser, als das über das Steuersystem oder Kindergeld zu regeln.