Stoiber, Arbeitslosigkeit und die Npd
Verfasst: 07.02.2005, 01:57
von snorki@gmx.net
Servus miteinander,
Es geht ja gerade durch die Medien, Stoiber macht die hohe Arbeitslosigkeit und damit indirekt die Regierung verantwortlich für die Wahlerfolge der Npd. Die Regierung kontert mit "unterste Schublade" und "hirnrissig".
Also was ist dran?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Rechtsextremismus?
Und sowieso, alle reden davon gegen Rechtsextremismus zu kämpfen, aber niemand sagt wie das konkret aussehen wird.
Eure Meinungen und Vorschläge bitte.
Verfasst: 07.02.2005, 06:07
von Gustavo
Original erstellt von snork4t0r
Servus miteinander,
Es geht ja gerade durch die Medien, Stoiber macht die hohe Arbeitslosigkeit und damit indirekt die Regierung verantwortlich für die Wahlerfolge der Npd. Die Regierung kontert mit "unterste Schublade" und "hirnrissig".
Also was ist dran?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Rechtsextremismus?
Hmm...eine bessere Frage als es oberflächlich scheint.
Sicher, eine Kausalität zwischen Wahlerfolgen der extremistischen Rechten (aber auch der linken) Parteien besteht, das lässt sich sehr leicht nachweisen. Man schaue sich nur die Wahlergebnisse der Weimarer Republik an, umso tiefer die Republik in die Krise schlitterte, umso mehr schlug die NSDAP mit ihrem Rechtspopulismus an (schließlich erzielte die NSDAP nicht durch Zufall ihre besten Wahrergebnisse nach der weltweiten Wirtschaftskrise, die auch Deutschland hart traf und war in den besten Zeiten der Weimarer Republik nach 1925 kaum von Belang).
Aber man kann es ja auch im heutigen Deutschland sehen, in den wirtschaftlich schwächeren Ländern der ehemaligen DDR die mit hohen Arbeitslosenquoten zu kämpfen haben, schlägt die NPD deutlich besser bei den Wählern an als in den westlichen Ländern. Wenn das nur die Frage wäre, wäre sie leicht zu beantworten.
Aber interessanter ist: Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Zahl überzeugten Rechtsradikalen und der Arbeitslosigkeit. Ich glaube: Ja.
Da gibt es die älteren NPD Wähler, bei diesen Leuten habe ich das Gefühl, sie wählen die NPD, weil sie den etablierten Parteien zeigen wollen "so nicht", die aber im Grunde genommen nicht wirklich mit den Glaubenssätzen der Partei konform gehen, den aggresive Anti-Semitismus sehe ich bei den meisten dieser Leute nicht, ganz einfach weil es zu spät ist, um diese Leute, die meisten von ihnen in der durchaus pragmatischen DDR aufgewachsen, wirklich zu indoktrinieren. Eine junge Generation jedoc, die ohne Perspektiven heranwächst, ist für solche "Bekehrungen" anfälliger, die NPD hat ja einen überdurchschnittlichen Prozentsatz an Erstwählern in Sachsen für sich gewinnen können, hier sehe ich eine wirkliche Gefahr.
Original erstellt von snork4t0r
Und sowieso, alle reden davon gegen Rechtsextremismus zu kämpfen, aber niemand sagt wie das konkret aussehen wird.
Weil niemand eine Ahnung hat, wie das konkret aussehen soll. Man hat ja die Planlosigkeit, wie man mit der NPD umgehen sollte nach den Wahlen in Sachsen gesehen, bei der die Vertreter der etablierten Parteien lieber das Studio verlassen haben, als mit dem Fraktionschef der NPD zu diskutieren. Jetzt wird wieder bei dem Ziel Parteiverbot der NPD rumgeiert, das ist jedoch auch nur Symptombekämpfung, wo Ursachenbekämpfung angebracht wäre.
Letztendlich müssen Jugendliche meiner Meinung nach eine bessere politische Bildung erhalten. Ich meine damit keinesfalls, dass wir ihnen noch mehr vom Dritten Reich erzählen sollen, irgendwann erschlägt man die Jugend einfach damit, Überfütterung ist nicht der Weg denn man hier gehen sollte. Man sollte viel eher darauf achten, dass sich Jugendliche konkret mit Politik auseinandersetzen, eine ungefähre Ahnung von Parteiprogrammen bekommen, denn ich glaube nicht, dass das Potential an "wahrem" Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft so groß ist, wie die Wahlergebnisse der NPD glauben machen könnten.
Und letztendlich hat Stoiber auch recht damit, wenn er sagt, die (schlechte) Politik der Regierung trägt mit zum erstarken der NPD bei, was er allerdings verschweigt ist, dass nötige Reformen wie Hartz IV hauptsächlich die Ursachen hierfür sind und dass wenn er wenn er regieren würde
a. noch einscheidendere Reformen beschlossen hätte und
b. er auch keine konkrete Lösung für die Probleme hat, die zu einem erstarken der NPD führen.
Sicher, man hätte Hartz IV den Bürgern besser "verkaufen" können als die SPD das getan hat, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Reform nötig war und Einschnitte bringt. Stoiber handelt äußerst heuchlerisch, wenn er wegen dem Erstarken der NPD die SPD kritisiert. Er könnte zwar entgegenhalten, unter ihm wäre es zu einem wirtschaftlichen Auschwung gekommen, aber dass ist letztendlich alles graue Theorie, beweisen kann er das alles nicht.
Verfasst: 07.02.2005, 13:46
von enasnI`
Original erstellt von snork4t0r
Servus miteinander,
Es geht ja gerade durch die Medien, Stoiber macht die hohe Arbeitslosigkeit und damit indirekt die Regierung verantwortlich für die Wahlerfolge der Npd. Die Regierung kontert mit "unterste Schublade" und "hirnrissig".
Also was ist dran?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Rechtsextremismus?
Zuerst einmal muss man dazu sagen, dass, wie wir doch nun alle wissen, die drastischen Anstiege der Arbeitslosenzahlen, die in den letzten Tagen in dem Medien publiziert wurden, einen zwar im Angesicht der magischen Marke von 5 Millionen erschrecken lassen, aber das Ganze nüchtern betrachtet nicht mehr und nicht wengier als die Auswirkungen der neuen Erfassungsmethode, nach der nun auch viele Sozialhilfeempfänger als arbeitslos gelten, sind. Es war nur zu berechenbar, dass Herr Stoiber dieses neue "Spielzeug" dazu benutzt, um Wahlkampf zu machen. Irgendwie drückt sich einem manchmal der Verdacht auf, als ob er eigentlich Nichts anderes zu tun hätte, als sicherzustellen, dass bei der nächsten Bundestagswahl wirklich Nichts schief geht. Politik ist ein dreckiges Geschäft, aber man muss sich dabei ja nicht zwangsläufig, wie her Stoiber, die Hände schmutzig machen, bzw. sie ganz tief in die Scheiße stecken, denn dreckig macht sie sich ja irgendwie jeder.
Original erstellt von Gustavo
Hmm...eine bessere Frage als es oberflächlich scheint.
Sicher, eine Kausalität zwischen Wahlerfolgen der extremistischen Rechten (aber auch der linken) Parteien besteht, das lässt sich sehr leicht nachweisen. Man schaue sich nur die Wahlergebnisse der Weimarer Republik an, umso tiefer die Republik in die Krise schlitterte, umso mehr schlug die NSDAP mit ihrem Rechtspopulismus an (schließlich erzielte die NSDAP nicht durch Zufall ihre besten Wahrergebnisse nach der weltweiten Wirtschaftskrise, die auch Deutschland hart traf und war in den besten Zeiten der Weimarer Republik nach 1925 kaum von Belang).
Aber man kann es ja auch im heutigen Deutschland sehen, in den wirtschaftlich schwächeren Ländern der ehemaligen DDR die mit hohen Arbeitslosenquoten zu kämpfen haben, schlägt die NPD deutlich besser bei den Wählern an als in den westlichen Ländern. Wenn das nur die Frage wäre, wäre sie leicht zu beantworten.
Aber interessanter ist: Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Zahl überzeugten Rechtsradikalen und der Arbeitslosigkeit. Ich glaube: Ja.
Da gibt es die älteren NPD Wähler, bei diesen Leuten habe ich das Gefühl, sie wählen die NPD, weil sie den etablierten Parteien zeigen wollen "so nicht", die aber im Grunde genommen nicht wirklich mit den Glaubenssätzen der Partei konform gehen, den aggresive Anti-Semitismus sehe ich bei den meisten dieser Leute nicht, ganz einfach weil es zu spät ist, um diese Leute, die meisten von ihnen in der durchaus pragmatischen DDR aufgewachsen, wirklich zu indoktrinieren. [red]Eine junge Generation jedoc, die ohne Perspektiven heranwächst, ist für solche "Bekehrungen" anfälliger, die NPD hat ja einen überdurchschnittlichen Prozentsatz an Erstwählern in Sachsen für sich gewinnen können, hier sehe ich eine wirkliche Gefahr.[/red]
Gustavo, müssen wir wirklich den Bogen soweit zurückspannen und die jetzige Situation mit der eines Landes, das vor nunmehr etwa 80 Jahren in sein Unglück gestürzt wurde zu vergleichen. - Ich glaube nein. Der Auslöser für die Beweggründe, die junge Erwachsene dazu treiben, ihre Wählerstimme an die NPD zu vergeben, sind doch grundverschieden. Sicherlich sind einige Parallelen zwischen diesen Wählerverhalten auszumachen, aber soweit, diesen Vergleich zu ziehen, würde ich nicht gehen. Ich schreibe die Erfolge der NPD eher der mangelnden Entschlossenheit unserer Regierung zu, denn hätte man damals ausreichend reagiert und die NPD an den Pranger gestellt, so hätte sie sich gar nicht erst, als eine in den Augen vieler Wähler seriöse Partei, etablieren können. Die Wählerschaft war ja eigentlich schon lange vorhanden, aber wenn ich da zum Beispiel an die damalige DVU-Geschichte denke, so erinnere ich mich daran, dass diese Partei so kritisch und ernst von Medien und Regierung durchleuchtet wurde, dass viele Menschen sich niemals getraut hätten ihre Stimme wirklich für sie abzugeben. Durch das Scheitern des Parteiverbots der NPD, wurde diese Barriere für viele Menschen durchbrochen und die NPD schaffte es sich als eine seriöse Partei an den Mann zu bringen.
Auf den rot makierten Text möchte ich nochmal speziell eingehen, denn dort sehe ich auch eine sehr sehr große Gefahr. Es besteht ganz klar die Gefahr, dass diese Menschen sehr leicht zu "bekehren" sind, sehr schlimm finde ich eigentlich die Gründe dafür. Das passive Verhalten, das viele Schulen und Elternhäusern, sowie sonstigen Einrichtungen, die erzieherisch auf Jugendlich und junge Erwachsene Menschen einwirken können, an den Tag legen, ist die schlimmste Gefahr, denn diese Versagen in den neuen Bundesländern teilweise total. So war in einem Artikel der FAZ zu lesen, dass der Thematik des zweiten Weltkrieges und Nazigeschichte Deutschlands im Geschichtsunterricht schon bewusst aus dem Weg gegangen wird, weil in manchen Klassen 2/3 der Schüler rechter Gesinnung sind und die Lehrer einer Konfrontation mit ihnen lieber aus dem Weg gehen. Ähnliches Verhalten trifft man sicherlich in etlichen Elternhäusern, sowie Jungendzentren und sonstigen Einrichtungen an. Die "Meute" an Rechtsextremen ist mittlerweile so groß geworden, dass viele sich der Situation machtlos gegenüber stehen sehen. Hier ist es auch Aufgabe unserer Bildungsministerin und all ihren Landesvertreter diesen Missständen entgegenzuwirken. Viel zu lange wurden die Augen davor verschlossen, ist es nun wieder einmal zuspät?
Original erstellt von Gustavo
Weil niemand eine Ahnung hat, wie das konkret aussehen soll. Man hat ja die Planlosigkeit, wie man mit der NPD umgehen sollte nach den Wahlen in Sachsen gesehen, bei der die Vertreter der etablierten Parteien lieber das Studio verlassen haben, als mit dem Fraktionschef der NPD zu diskutieren. Jetzt wird wieder bei dem Ziel Parteiverbot der NPD rumgeiert, das ist jedoch auch nur Symptombekämpfung, wo Ursachenbekämpfung angebracht wäre.
Für ein Parteiverbot ist nun wahrlich zuspät, denn leider Gottes hat man es nun soweit kommen lassen, dass diese Partei sich ihre Lobby in Sachsen geschaffen hat und man nun der Tatsache ins Auge sehen, dass es nur noch den politischen Weg gibt ihnen die Stirn zu bieten. Hier gilt es zu beweisen, was unsere Demokratie zu leisten im Stande ist. Wir dürfen gespannt sein, was uns noch so alles erwartet. Was es allerdings zu bekämpfen gilt, sind all die Ausläufer von rechtsextremen Veranstaltungen, Konzerte und sonstige Aktionen, die hier in unserem Land absolut nicht duldbar sind. Dazu war vor 2-3 Monaten ein schöner Artikel in der FAZ zu lesen, in dem beschrieben wurde, wie machtlos Polizeibehörden den Strukturen in gewissen Ost-Komunen gegenüberstehen. So verhalten sich teilweise ganze Stadtmagistrate absolut passiv gegenüber rechtsextremen Veranstaltungen in ihren Komunen und in den seltensten Fällen wird die Poilzei oder anderes informiert. Diese Menschen, die hier passiv agieren, sind zwar nicht zwangsläufig NPD-Wähler, aber sie bieten den rechtsextremen Armen dieser Partei zu viel Freiraum. Gegen diese Trägheit müss dringend Etwas unternommen werden, denn sie bietet der ganzen Situation einen viel zu guten Nährboden.
Original erstellt von Gustavo
Letztendlich müssen Jugendliche meiner Meinung nach eine bessere politische Bildung erhalten. Ich meine damit keinesfalls, dass wir ihnen noch mehr vom Dritten Reich erzählen sollen, irgendwann erschlägt man die Jugend einfach damit, Überfütterung ist nicht der Weg denn man hier gehen sollte. Man sollte viel eher darauf achten, dass sich Jugendliche konkret mit Politik auseinandersetzen, eine ungefähre Ahnung von Parteiprogrammen bekommen, denn ich glaube nicht, dass das Potential an "wahrem" Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft so groß ist, wie die Wahlergebnisse der NPD glauben machen könnten.
Nein, die das Potential an wahrem Rechtsradikalismus ist mit Sicherheit nicht wirklich gestiegen, nur verschließt man die Augen vor der Aufgabe Jungendliche angemessen politisch zu erziehen und in manchen Fällen auch ganz speziell gegen Nazistrukturen, die sich mancher Orts gebildet haben, vorzugehen. Hier muss aus allen Bereichen viel mehr Gegenwehr und Aufklärung stattfinden.
Original erstellt von Gustavo
Und letztendlich hat Stoiber auch recht damit, wenn er sagt, die (schlechte) Politik der Regierung trägt mit zum erstarken der NPD bei, was er allerdings verschweigt ist, dass nötige Reformen wie Hartz IV hauptsächlich die Ursachen hierfür sind und dass wenn er wenn er regieren würde
a. noch einscheidendere Reformen beschlossen hätte und
b. er auch keine konkrete Lösung für die Probleme hat, die zu einem erstarken der NPD führen.
Sicher, man hätte Hartz IV den Bürgern besser "verkaufen" können als die SPD das getan hat, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Reform nötig war und Einschnitte bringt. Stoiber handelt äußerst heuchlerisch, wenn er wegen dem Erstarken der NPD die SPD kritisiert. Er könnte zwar entgegenhalten, unter ihm wäre es zu einem wirtschaftlichen Auschwung gekommen, aber dass ist letztendlich alles graue Theorie, beweisen kann er das alles nicht.
Zu diesem Thema will ich nicht mehr sagen, als dass es unserem Herrn Stoiber einfach nie an politischer Armseligkeit mangelt!
Verfasst: 07.02.2005, 18:56
von Gustavo
Original erstellt von enasnI
Gustavo, müssen wir wirklich den Bogen soweit zurückspannen und die jetzige Situation mit der eines Landes, das vor nunmehr etwa 80 Jahren in sein Unglück gestürzt wurde zu vergleichen. - Ich glaube nein. Der Auslöser für die Beweggründe, die junge Erwachsene dazu treiben, ihre Wählerstimme an die NPD zu vergeben, sind doch grundverschieden. Sicherlich sind einige Parallelen zwischen diesen Wählerverhalten auszumachen, aber soweit, diesen Vergleich zu ziehen, würde ich nicht gehen. Ich schreibe die Erfolge der NPD eher der mangelnden Entschlossenheit unserer Regierung zu, denn hätte man damals ausreichend reagiert und die NPD an den Pranger gestellt, so hätte sie sich gar nicht erst, als eine in den Augen vieler Wähler seriöse Partei, etablieren können. Die Wählerschaft war ja eigentlich schon lange vorhanden, aber wenn ich da zum Beispiel an die damalige DVU-Geschichte denke, so erinnere ich mich daran, dass diese Partei so kritisch und ernst von Medien und Regierung durchleuchtet wurde, dass viele Menschen sich niemals getraut hätten ihre Stimme wirklich für sie abzugeben. Durch das Scheitern des Parteiverbots der NPD, wurde diese Barriere für viele Menschen durchbrochen und die NPD schaffte es sich als eine seriöse Partei an den Mann zu bringen.
Auf den rot makierten Text möchte ich nochmal speziell eingehen, denn dort sehe ich auch eine sehr sehr große Gefahr. Es besteht ganz klar die Gefahr, dass diese Menschen sehr leicht zu "bekehren" sind, sehr schlimm finde ich eigentlich die Gründe dafür. Das passive Verhalten, das viele Schulen und Elternhäusern, sowie sonstigen Einrichtungen, die erzieherisch auf Jugendlich und junge Erwachsene Menschen einwirken können, an den Tag legen, ist die schlimmste Gefahr, denn diese Versagen in den neuen Bundesländern teilweise total. So war in einem Artikel der FAZ zu lesen, dass der Thematik des zweiten Weltkrieges und Nazigeschichte Deutschlands im Geschichtsunterricht schon bewusst aus dem Weg gegangen wird, weil in manchen Klassen 2/3 der Schüler rechter Gesinnung sind und die Lehrer einer Konfrontation mit ihnen lieber aus dem Weg gehen. Ähnliches Verhalten trifft man sicherlich in etlichen Elternhäusern, sowie Jungendzentren und sonstigen Einrichtungen an. Die "Meute" an Rechtsextremen ist mittlerweile so groß geworden, dass viele sich der Situation machtlos gegenüber stehen sehen. Hier ist es auch Aufgabe unserer Bildungsministerin und all ihren Landesvertreter diesen Missständen entgegenzuwirken. Viel zu lange wurden die Augen davor verschlossen, ist es nun wieder einmal zuspät?
Ich vergleiche ja nur demographische Auswirkungen und nicht die Situation in der wir uns jetzt befinden mit der damaligen, aber das Beispiel bietet sich doch mehr als an, weil die NSDAP vollkommen rechtsgültig gewählt wurde. Sicher, nicht alle Jugendliche glauben der NPD Propaganda, aber das habe ich ja nie behaupten, lediglich, dass die Gefahr größer ist, dass sie in diese Szene geraten...
Verfasst: 08.02.2005, 15:13
von cruz22
Insbesondere Herr Stoiber sollte mit diesem Thema vorsichtiger umgehen. Was er unter anderem bei diveresen
"Vertriebenen Treffen" von sich gibt, ist teilweise unglaublich. Ich halte es für sehr heuchlicherisch sich jetzt hinzustellen und in dieser Weise Kritik an der SPD Regierung zu äußern (..wie war das nochmal mit erst vor der eigenen Haustür kehren?..)
Desweitern ist der Auftritt der Regierung beim NPD Verbotsverfahren mehr als peinlich gewesen. Und ebenfalls, wie die derzeitige Diskusion in den Medien, Wasser auf die Mühlen dieser Wirrköpfe!
Verfasst: 09.02.2005, 01:31
von Gustavo
Original erstellt von enasnI
Willst du damit sagen, dass diese Partei momentan nicht auf einer legitimen und rechtskräftigen Basis im sächsischen Landtag vertreten ist?
Auch eine Landtagsfraktion ist ja noch keine Legitimation. In den Landtag gewählt wird man von den Wählern, die entscheiden ja nicht über die Verfassungstreue und letztendlich ob die NPD als Partei verboten werden kann, sondern die drücken nur ihre eigenen Präferenzen aus. Eine Partei kann durchaus im Landtag sitzen und trotzdem verboten werden, wir leben nicht in einem Land, in dem jede politische Meinung akzeptiert wird, gewisse Richtlinien müssen eingehalten werden.
Verfasst: 09.02.2005, 01:43
von enasnI`
Original erstellt von Gustavo
Auch eine Landtagsfraktion ist ja noch keine Legitimation. In den Landtag gewählt wird man von den Wählern, die entscheiden ja nicht über die Verfassungstreue und letztendlich ob die NPD als Partei verboten werden kann, sondern die drücken nur ihre eigenen Präferenzen aus. Eine Partei kann durchaus im Landtag sitzen und trotzdem verboten werden, wir leben nicht in einem Land, in dem jede politische Meinung akzeptiert wird, gewisse Richtlinien müssen eingehalten werden.
Ja, aber ein nicht bestreibarer Fakt ist doch, dass sie eben nicht verboten ist. Und seit der erste Versuch, diese Partei zu verbieten, vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, ist ihr bestehen bis auf weiteres rechtens. Ich weiß wirklich nicht genau, was du da noch weiter zu differzenzieren versuchst. Vielleicht kannst du mir da mal ein wenig Licht ins Dunkele bringen.
Verfasst: 09.02.2005, 01:57
von Gustavo
Ich hatte lediglich bemängelt, dass du behauptet hast, die Rechtmäßigkeit der Partei sei unter Beweis gestellt worden, das halte ich so für falsch, da keine tatsächliche Entscheidung über Verfassungsfeindlichkeit der NPD getroffen worden ist...
Verfasst: 09.02.2005, 12:02
von Bananenbrot
Man muss in der Tat differenzieren zwischen der faktischen Verfassungsfeindlichkeit einer Partei und ihrem offiziellen Status.
Dass die NPD verfassungsfeindlich ist, daran sollte kein Zweifel bestehen.
Das Problem ist nur folgendes:
In einem Verbotsverfahren muss die Verfassungsfeindlichkeit belegt werden, und zwar unter anderm durch Zeugen. Diese Zeugen dürfen nun nicht selber sowohl in der NPD arbeiten als auch für den Verfassungsschutz. Wenn sie nämlich für den Verfassungsschutz arbeiten, so ist nicht gesagt, dass die von ihnen ausgehenden verfassungsfeindlichen Aktionen tatsächlich auf das Konto der nicht-V-Männer in der NPD gehen. Daran ist unter anderem das erste Verbotsverfahren gescheitert; es gab keine unabhängigen Zeugen und der Verfassungsschutz hat zu spät die Mitarbeit begonnen.
Das bestehen ist deshalb noch keinesfalls rechtens, da erstens offenkundig und allgemein verbreitet sehr große Zweifel an der Verfassungsgemäßheit bestehen und zweitens über die Rechtmäßigkeit nicht entschieden worden ist.
Verfasst: 10.02.2005, 00:32
von cirad
@enasnI:
Ein Verbot kannst du vergessen. Zum einen sitzen die V-Männer dort, wo sie vor ein paar Jahren saßen, zum anderen ist eine Neugründung relativ einfach. Außerdem gibt es sehr viel größere rechte Organisationen im Untergrund, so daß das Problem nicht beseitigt, nur versteckt werden würde.
Außerdem halte ich es für eine Schwäche, wenn man sich mit einer politischen Problematik nicht auseinandersetzen kann oder will und stattdessen zu einem Verbot greift. Als Wähler ziehe ich daraus meine Konsequenz.
Verfasst: 10.02.2005, 01:16
von enasnI`
Original erstellt von cirad
@enasnI:
Ein Verbot kannst du vergessen. Zum einen sitzen die V-Männer dort, wo sie vor ein paar Jahren saßen, zum anderen ist eine Neugründung relativ einfach. Außerdem gibt es sehr viel größere rechte Organisationen im Untergrund, so daß das Problem nicht beseitigt, nur versteckt werden würde.
Außerdem halte ich es für eine Schwäche, wenn man sich mit einer politischen Problematik nicht auseinandersetzen kann oder will und stattdessen zu einem Verbot greift. Als Wähler ziehe ich daraus meine Konsequenz.
Ich erwähnte ja bereits, dass es für ein Verbot zu spät ist und man sich mit der Problematik nun auf einer anderen Ebene auseiandersetzen muss. Man würde das Problem wohl wirklich nur für eine sehr kurze Zeit aus dem Blickfeld geschafft haben, denn nicht nur die NPD wurde erstarkt, sondern auch wie du schon sagtest rechte Organisationen im "Untergrund". (wobei ich mittlerweile das Gefühl habe, dass viele von diesen Organisationen es gar nicht mehr für nötig erachten, sich vor der Öffentlichkeit zu verstecken.)
Original erstellt von Bananenbrot
Man muss in der Tat differenzieren zwischen der faktischen Verfassungsfeindlichkeit einer Partei und ihrem offiziellen Status.
Dass die NPD verfassungsfeindlich ist, daran sollte kein Zweifel bestehen.
Das Problem ist nur folgendes:
In einem Verbotsverfahren muss die Verfassungsfeindlichkeit belegt werden, und zwar unter anderm durch Zeugen. Diese Zeugen dürfen nun nicht selber sowohl in der NPD arbeiten als auch für den Verfassungsschutz. Wenn sie nämlich für den Verfassungsschutz arbeiten, so ist nicht gesagt, dass die von ihnen ausgehenden verfassungsfeindlichen Aktionen tatsächlich auf das Konto der nicht-V-Männer in der NPD gehen. Daran ist unter anderem das erste Verbotsverfahren gescheitert; es gab keine unabhängigen Zeugen und der Verfassungsschutz hat zu spät die Mitarbeit begonnen.
Das bestehen ist deshalb noch keinesfalls rechtens, da erstens offenkundig und allgemein verbreitet sehr große Zweifel an der Verfassungsgemäßheit bestehen und zweitens über die Rechtmäßigkeit nicht entschieden worden ist.
Was auch immer der Grund dafür gewesen ist, das Ergebnis bleibt doch das Gleiche, denn ihr sagt ja auch nur "Eigentlich" ist diese Partei und ihr Bestehen nicht Rechtens. Nur leider ist sie es doch wohl momentan, auf Grund von politischem Versagen, doch. Mir ist auch klar, dass die NPD, wieder nur "Eigentlich", verfassungsfeindlich ist, nur muss man sich dich wohl Zweifels ohne damit auseinandersetzen, dass sie im Moment in einem Landtag sitzen und das sicher nicht, weil das jeglicher Rechtsgrundlage entbehren würde. Allerdings muss ich zugeben, dass meine Formulierung, die Partei sei als Rechtmäßig anerkannt worden, so zurücknehmen muss. Zu bedenken gebe ich euch aber, dass genug Politiker sich nach wie vor vor einem neuen Verfahren scheuen, weil die Angst besteht, dass ein erneutes Scheitern die Folge sein könnte. Und solang Niemand mehr so ein Verfahren anstrebt, das ein Verbot der NPD zur Folge haben könnte, bleibt sie wohl bis auf weiters "zu Recht" im sächsischen Landtag und die Auseiandersetzung muss auf einer anderen Ebene stattfinden.
Verfasst: 10.02.2005, 03:23
von Gustavo
Original erstellt von enasnI
Was auch immer der Grund dafür gewesen ist, das Ergebnis bleibt doch das Gleiche, denn ihr sagt ja auch nur "Eigentlich" ist diese Partei und ihr Bestehen nicht Rechtens. Nur leider ist sie es doch wohl momentan, auf Grund von politischem Versagen, doch. Mir ist auch klar, dass die NPD, wieder nur "Eigentlich", verfassungsfeindlich ist, nur muss man sich dich wohl Zweifels ohne damit auseinandersetzen, dass sie im Moment in einem Landtag sitzen und das sicher nicht, weil das jeglicher Rechtsgrundlage entbehren würde. Allerdings muss ich zugeben, dass meine Formulierung, die Partei sei als Rechtmäßig anerkannt worden, so zurücknehmen muss. Zu bedenken gebe ich euch aber, dass genug Politiker sich nach wie vor vor einem neuen Verfahren scheuen, weil die Angst besteht, dass ein erneutes Scheitern die Folge sein könnte. Und solang Niemand mehr so ein Verfahren anstrebt, das ein Verbot der NPD zur Folge haben könnte, bleibt sie wohl bis auf weiters "zu Recht" im sächsischen Landtag und die Auseiandersetzung muss auf einer anderen Ebene stattfinden.
Im Grunde halte ich den Verzicht auf ein weiteres Verbotsverfahren für einen klugen Schritt, wenn man nicht mit einer relativ deutlichen Gewissheit sagen kann, dass die Partei auch wirklich verboten werden kann. Wenn das Verbot scheitert, wird es international so wahr genommen werden, dass Deutschland sich für seine eigenen Gesetze "schämen" muss, die es nicht erlauben, eine Partei wie die NPD zu verbieten, zudem kommt noch dazu, dass die NPD dann völlig ohne Überwachung durch den Verfassungsschutz wäre, weil die V-Männer ja "abgeschaltet" werden müssen. Allerdings glaube ich, wenn die NPD "zu recht" im Landtag sitzt, dann nicht wegen dem Verbotsverfahren, sondern weil es scheinbar genug Wahlberechtigte in Sachsen gibt, die die NPD im Landtag sehen wollen...
Verfasst: 10.02.2005, 18:11
von Bananenbrot
Original erstellt von enasnI
Was auch immer der Grund dafür gewesen ist, das Ergebnis bleibt doch das Gleiche, denn ihr sagt ja auch nur "Eigentlich" ist diese Partei und ihr Bestehen nicht Rechtens. Nur leider ist sie es doch wohl momentan, auf Grund von politischem Versagen, doch. Mir ist auch klar, dass die NPD, wieder nur "Eigentlich", verfassungsfeindlich ist, nur muss man sich dich wohl Zweifels ohne damit auseinandersetzen, dass sie im Moment in einem Landtag sitzen und das sicher nicht, weil das jeglicher Rechtsgrundlage entbehren würde. Allerdings muss ich zugeben, dass meine Formulierung, die Partei sei als Rechtmäßig anerkannt worden, so zurücknehmen muss. Zu bedenken gebe ich euch aber, dass genug Politiker sich nach wie vor vor einem neuen Verfahren scheuen, weil die Angst besteht, dass ein erneutes Scheitern die Folge sein könnte. Und solang Niemand mehr so ein Verfahren anstrebt, das ein Verbot der NPD zur Folge haben könnte, bleibt sie wohl bis auf weiters "zu Recht" im sächsischen Landtag und die Auseiandersetzung muss auf einer anderen Ebene stattfinden.
Die Auseinandersetzung muss auf allen Ebenen stattfinden, nicht nur politisch. Man setzt sich mit politischen Mördern und oder einfachen Vergewaltigern auch nicht politisch auseinander, sondern zunächst juristisch. Wer sich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, der hat keinerlei Anspruch darauf im Land gestalterisch mitzuwirken. Aus dem Grunde muss die NPD auf jeden Fall verboten werden.
Verfasst: 15.02.2005, 14:59
von Rex*Cramer
Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und nicht nur Rechtsextremismus, sondern auch auf der anderen Seite, ist natürlich gegeben. M.E. engt diese Betrachtung das Thema allerdings schon im Ansatz viel zu stark ein, so daß bereits jetzt der Überblick verloren geht. Daß noch andere Faktoren im Spiel sind, zeigt schon die Tatsache des Erstarkens extremer Kräfte auch in Gebieten mit - für deutsche Verhältnisse - niedriger Arbeitslosenquote. Es erscheint mir daher sehr unfair und zu vereinfachend, den Arbeitslosen zusätzlich zu ihrer Lage auch noch den Rechtsextremismus in die Schuhe schieben zu wollen.
Statt das Thema im Vorfeld einzugrenzen, sollte man lieber erstmal von allgemeiner Unzufriedenheit mit der Politik sprechen und entsprechend Ursachenforschung betreiben.
Selbstverständlich spielt die eigene wirtschaftliche Situation eine (große) Rolle. Die Politik guckt jetzt seit Jahrzehnten tatenlos dem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu. Es werden zwar ab und zu kleine Reförmchen als große Würfe verkauft, Finanz- und Wirtschaftsminister verkünden in immer kleineren Abständen eine Verbesserung am Arbeitsmarkt, aber in Wahrheit ist das alles nur Rhetorik. Es dämmert immer mehr Menschen, daß sich praktisch niemand um sie kümmert. Manche wissen sich nicht mehr anders zu helfen, als nicht mehr wählen zu gehen oder den etablierten Parteien die rote Karte zu zeigen, in dem man rechts- oder linksextreme wählt.
Persönlich bin ich auch schon so weit, daß ich nicht mehr wählen gehe, obwohl ich von den größten Problemen in Deutschland, wie z.B. der hohen Arbeitslosigkeit, selber gar nicht betroffen bin. Zur letzten Bundestagswahl war ich zuletzt an der Urne, bei der darauffolgenden Bürgerschaftswahl erstmalig Nichtwähler. Da braucht mir auch niemand mit Sprüchen wie der Unterstützung der Rechten zu kommen, wenn man nicht wählt, oder (zwangsläufig) der Wahl des kleineren Übels. Damit bin ich durch; wer meine Stimme will, muß mir schon was anbieten. Das ist aber derzeit so schwach, daß ich es mit mir selbst nicht vereinbaren kann, sie irgendeiner Partei zu geben. Wenn ich meine Unzufriedenheit sowohl auf kommunaler, wie gleichermaßen auch auf Landes- und Bundesebene konsequent weiterdenke, und dann noch die persönliche Betroffenheit bei vielen Menschen in Sachsen dazu addiere, kann ich mir zumindest grob vorstellen, wie man zum Protestwähler wird. Ich sage nicht, daß ich das billige, aber nachzuvollziehen ist es schon.
Damit sind wir dann beim rechtsextremen Potenzial, das sich tatsächlich hinter den Wahlergebnissen verbirgt. Gemäß der Bestätigung durch Umfragen unmittelbar nach der sächsischen Landtagswahl glaube ich, daß höchstens 1-2% tatsächlich hinter der Ideologie der NPD stehen.
Dieser Hinweis birgt aber ein großes Risiko und eignet sich keineswegs zum Kleinreden des eigentlichen Problems, wie es derzeit vielfach geschieht.
Vom Wähler demokratischer Parteien zum Protestwähler hat bereits eine erschreckende Entwicklung stattgefunden, und eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber extremen Parteien ist entstanden. Der Schritt zum überzeugten NPD-Wähler wird kleiner - oder man könnte besser sagen: die Gefahr immer größer, daß mehr Menschen den platten Parolen auf den Leim gehen.
Die nach wie vor nahezu fehlende Identität ist ebenfalls Wasser auf die Mühlen der Rechten. In den USA oder sonstwo werden Landesflaggen aus den Fenstern gehalten bei entsprechenden Anlässen. Aber wenn hier ein Bundespräsident sagt, er ist stolz auf das Land, bricht sofort eine Diskussion los, ob man sowas überhaupt sagen könne. Es fehlt völlig sowas wie ein kollektives Selbstbewußtsein in Deutschland. Genau in diese Kerbe hauen die Rechten, in dem sie sich als die "einzig wahren Deutschen" mit einem historischen Auftrag hinstellen. Während die öffentliche Diskussion sich um Patriotismus dreht und dort eine Leere geschaffen wird, versucht die NPD diese mit Nationalismus zu besetzen. Statt ohnmächtig zuzuschauen, muß man endlich begreifen, daß man ruhig ein wenig stolz auf die Entwicklung der letzten 60 Jahre sein darf und es nicht der Patriot ist, der dem Land schadet und der Nationalist, der sich für sein Land einsetzt, sondern umgekehrt.
Es gibt noch eine Reihe anderer Gründe für die zunehmenden Erfolge der links- und rechtsextremen Parteien, aber die wirtschaftlichen Probleme gehören sicher zu den grundlegensten - frei nach dem Motto: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Auch wenn Edmund Stoiber prinzipiell richtig liegt, so hatte er mit den Aussagen sicher nicht vor, das Thema umfassend zu diskutieren. Das ist Wahlkampf. Er macht dabei eine gefährliche Gratwanderung, denn die demokratischen Parteien sollten den Linken und Rechten gegenüber zusammenstehen und sie gemeinsam bekämpfen, aber nicht sich vor ihnen gegenseitig zerfleischen. Damit erreicht man nur das Gegenteil. Wie gesagt, auch wenn die Sachlage richtig beobachtet ist, daß das politische Versagen der Regierung und die daraus resultierende Unzufriedenheit in der Bevölkerung den idealen Nährboden für die NPD darstellt, benimmt er sich mal wieder wie ein Elefant im Porzellanladen, ein politischer Umgang unter aller Sau. Die Regierung hat darum zwar recht mit ihrer Empörung, sie sollte aber den Ball lieber ganz flach halten, weil das alles letztlich nur ein Schauspiel ist, da doch Schröder 1998 die damalige Regierung auf die exakt gleiche Weise angegriffen hat. Ein weiterer "Meilenstein" im dreckigen Sumpf deutschen Wahlkampfes - für mich ein weiterer Grund, keine dieser Parteien zu wählen, die mit solchen Mitteln an meine Stimme rankommen wollen.
Die unterstellte Parallele zwischen dem Wahlerfolg der NPD, der höchsten Arbeitslosigkeit seit 1933 und dem Ende der Weimarer Republik kommt mir inzwischen zu den Ohren raus und diese Vergleiche sind meistens falsch, weil grundlegende Unterschiede nicht berücksichtigt werden. Dabei möchte ich das Thema mal bewenden lassen.
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus liegt eigentlich auf der Hand. Das geht durch vernünftige Tagespolitik, denn je zufriedener das Volk mit den etablierten, demokratischen Parteien ist, desto weniger Grund gibt es, seine Stimme rechts- oder linksextremen Parteien zu geben.
Durch Bildung und Aufklärung, wo man genau den umgekehrten Weg gehen muß, wie es derzeit geschieht. Es ist ein Unding, daß teilweise Geschichtsunterricht ersetzt werden kann, oder bspw. das Nachgeben von Ministerpräsident Platzek in der Frage der Streichung des Völkermords an den Armeniern aus den Lehrplänen.
Und enden tun die Maßnahmen erst bei einem Verbot der Partei selber.
Der Punkt der Politik generell, die wieder besser werden, Lösungen finden und Perspektiven bieten muß, ist klar. Wenn weiter aus dem riesigen Reformbedarf nicht eine einzige auch nur annähernd zufriedenstellend durchgezogen wird, bei gleichzeitig ständigen Ausreden, wer oder was alles schuld ist an der Situation, nur nicht man selber, werden den Volksparteien langfristig weiter die Wähler weglaufen. Es liegt an ihnen selbst, sich endlich auf ihr Mandat zu konzentrieren.
Über das Dritte Reich habe ich gerade im Ausland schon oft diskutiert. Häufig hatte ich den Eindruck, quasi in so eine Debatte reingedrängt zu werden, nur weil ich Deutscher bin - oder das man "dem Deutschen" mal auf den Zahn fühlen wollte, wie es heute aussieht. Nie hatte ich das Gefühl, mich würde persönlich jemand für die Verbrechen des Nationalsozialismus verantwortlich machen (Und wenn doch, dann mit genauso wenig Substanz wie wenn man wahllos Schimpfwörter ohne irgendeinen Sinn an den Kopf bekommt, also getrost zu ignorieren).
Erschreckend ist es, wenn man solche Debatten z.B. im Allgemeinen Forum anläßlich des sechzigsten Jahrestages der Befreiung von Auschwitz verfolgt. Da werden dann Phrasen gedroschen, daß das ja nun schon 60 Jahre her ist und niemanden mehr interessiert, oder die Juden sollten endlich aufhören mit ihrer Vergangenheit rumzunerven u.ä. Wie wenig Geschichtsbewußtsein manchmal nur da ist, ist kaum zu glauben. Ich bin vielmehr der Ansicht, es sind nicht schon, sondern erst 60 Jahre. Es geht beim Gedenken auch nicht um Schuldzuweisungen oder das Aufreißen von alten Wunden, sondern um eine Mahnung an die Zukunft für alle Zeiten. Es ist schon erstaunlich, wenn gerade Jugendliche sagen, nach so vielen Jahren reicht es jetzt. Meistens wird dadurch nur fehlende Sachkenntnis oder der Geschichte aufgedeckt (Viele wissen wohl gar nicht, daß der 27. Januar erst seit 1996 offizieller "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" ist und in diesem Jahr erst zum zehnten Mal begangen wurde. Oder was der Begriff Holocaust eigentlich bedeutet, wo er herkommt und ganz zu schweigen von den Lehren, die aus der Vergangenheit zu ziehen sind). Daß sowas wie die NPD überhaupt möglich ist, auch mit der Altersstruktur, ist gerade ein Beleg für eine viel zu geringe Vermittlung der Vergangenheit.
Ein neuerliches Verbotsverfahren gegen die NPD wird ja zumindest diskutiert. Jetzt wird sogar schon über das Versammlungsrecht gesprochen. Zumindest bei letzteren Vorschlägen habe ich schwere Bedenken. Die NPD ist verfassungsfeindlich, stellt eine Gefährdung der Demokratie dar, aber wenn sich die Demokratie selbst einschränkt, um ihren Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, dann kommt mir das höchst paradox vor. Auch ist das wieder Ausdruck mangelnden Selbstbewußtseins, anscheinend außer Verboten keine Mittel zu haben.
Verbote haben einen weiteren prinzipiellen Nachteil: Sie bekämpfen immer nur Symptome und nie die Ursachen. Mit einem Verbot der Partei ist das eigentliche Problem also nicht behoben, nicht mal angekratzt. Meine große Angst ist dementsprechend, man würde es sich mit einem Verbot zu leicht machen, aus den Augen, aus dem Sinn. Gerade in Deutschland neigt man schließlich dazu, jegliche Probleme mit bürokratischen "Lösungen" zu erschlagen, ohne jemals den Kern zu erreichen. Die Probleme des Landes sollen und müssen aber so oder so behoben werden, mit oder ohne NPD.
Die Medaille von der anderen Seite betrachtet, kann man analog argumentieren: Ob die NPD nun verfassungswidrig ist, ob man ein zweites Verbotsverfahren anstrengt oder nicht, hängt doch nicht davon ab, ob man andere (politische) Mittel zur Verfügung hat zur Bekämpfung dieser Partei, oder wie wirksam man diese einschätzt. Das wäre die reine Willkür, und das gerade in so einer Frage. Dementsprechend stehe ich der allgemeinen Debatte, ob man der NPD so oder lieber so begegnet, ziemlich fassungslos gegenüber, weil das zwei völlig voneinander unabhängige Dinge sind.
Wenn die NPD verfassungswidrig ist - und davon bin ich überzeugt -, dann muß sie natürlich verboten werden, egal ob man ihre Basis auch dadurch aushöhlen kann, daß man die Probleme der Demokratie in den Griff bekommt und ihr so den Boden unter den Füßen wegzieht. Und diese Probleme muß man natürlich auch dann in den Griff bekommen, wenn die NPD verboten ist. Es gibt hier kein Entweder-oder (sonst dauert es ohnehin nicht lange, bis die NPD-2 gegründet wird oder wie auch immer).
Dann gibt es noch Stimmen, man müsse sich politisch direkt mit der NPD auseinandersetzen. Beispielhaft wird das Verlassen der Vertreter der anderen Parteien aus dem Studio nach der sächsischen Landtagswahl immer wieder als Fehler dargestellt. Dahinter stecken Gedankengänge, die ich nicht nachvollziehen kann. Die politische Auseinandersetzung muß derart erfolgen, daß man die Gründe für deren Wahlerfolg analysiert und dort ansetzt, aber mit der NPD bzw. ihren Vertretern selbst? Kann ich mir nicht vorstellen, wie das aussehen soll. Das ist völlig aussichtslos.
Trotz der Bedenken wäre ich froh, wenn die NPD verboten werden würde. Da spielen noch einige andere Gründe eine Rolle, so z.B. auch die Außendarstellung Deutschlands, aber darauf möchte ich nicht weiter eingehen.
Was auf gar keinen Fall passieren darf, ist ein zweites Scheitern. Bevor man ein neues Verfahren anstrengt, muß man zumindest sehr gute Erfolgsaussichten haben, damit auch durchzukommen. Alles andere ist nicht akzeptabel.
Daraus ergeben sich einige Probleme, die vorher geklärt werden müssen. Da ist einmal die Geschichte mit den V-Männern, ihrem Einfluß innerhalb oder auf die NPD, die sich daraus ergebenden juristischen Probleme usw., wo sich, zusammen mit der dilettantischen Prozeßführung des Innenministers, die Demokratie bekanntermaßen schon mal selbst ins Knie geschossen hat gegenüber ihren Feinden. Dazu kommen noch die Steilvorlagen für die NPD durch die Verfassungsrichter Papier und Hassemer. Ihre Äußerungen könnten von der Politik so verstanden werden: Macht dies und das, achtet auf folgende Fußangeln, dann bekommt ihr euer ersehntes Urteil. Dann stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Unbefangenheit dieser beiden Verfassungsrichter. Wenn einer oder sogar beide dann dem Senat angehören, der mit dem Verbotsverfahren der NPD befaßt ist, ist ein Befangenheitsantrag schon vorprogrammiert. Mit den Kommentaren der beiden Richter setzt sich das Verfassungsgericht bereits jetzt der politischen Auseinandersetzung aus, über die sie urteilen soll.
Die NPD lehnt das politische System ab. Würde man ihr aber nicht gerade in die Karten spielen, wenn so ein Klüngel zwischen Verfassungsorganen - Richter geben einen Wink mit dem Zaunpfahl, die Politik nimmt diesen dankend an -, der letztendlich noch die Frage nach der Gewaltenteilung aufkommen läßt, schon im Vorfeld eines Verbotsverfahrens einen bitteren Beigeschmack schafft?
Verfasst: 24.02.2005, 00:01
von channel
Original erstellt von snork4t0r
Servus miteinander,
Es geht ja gerade durch die Medien, Stoiber macht die hohe Arbeitslosigkeit und damit indirekt die Regierung verantwortlich für die Wahlerfolge der Npd. Die Regierung kontert mit "unterste Schublade" und "hirnrissig".
Also was ist dran?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Rechtsextremismus?
Und sowieso, alle reden davon gegen Rechtsextremismus zu kämpfen, aber niemand sagt wie das konkret aussehen wird.
Eure Meinungen und Vorschläge bitte.
Da kann man der Regierung nur beipflichten. Die durchsichtige Hetze ist ja eigentlich auch nur für die Adressaten südlich des Weisswurstäquators jenseites der 1,2 Promille gedacht.
Von wem und was die NPD profitiert ist recht komplex.
Fangen wir am Beispiel der Wählerwanderung Sachsens an.
Hier fällt auf, dass die NPD einen über alle anderen Parteien erhabenen Zustrom von vormaligen CDU-Wählern erhalten haben. Doppelt so viele Ex-CDU-Wähler wie das restliche gesamte Spektrum wechselten zur NPD. Es besteht also ein signifikanter Zusammenhang zwischen Radikalen der CDU und NPD.
Oder nehmen wir die Schulbildung.
Hier fällt auf, dass besonders Mittelschüler überragend NPD wählen (15%) (Wähler mit niedriger und hohe Bildung bleiben weit unter der Hälfte draunter). Das typische kleinbürgerliche Milieu.
Oder Alter:
Hier gilt, je jünger desto mehr zuspruch. Man kann es den Jungen nicht verübeln, wenn sie nicht zwischen Propaganda und wirklichen Inhalten der NPD unterscheiden können.
Oder Geschlecht:
Frauen wählen ebenfalls in jungen Jahren NPD, doch erheblich weniger als ihre männlichen Altersgenossen. die 18-24 Jährigen nur zu 15% ihrer Gruppe. Die Jungens sind hier bereits bei 25%. Für Frauenfragen scheint die NPD ebenfalls nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein
konfession:
Konfessionslose sind hier besonders stark.
Berufstätigkeit:
Arbeiter, Arbeitslose und Azubis neigen eher dazu die NPD zu wählen.
Zusammenfassend muss man sagen, dass ein Zusammenhang aus mittlerer Bildung, Angst vor sozialem Abstieg aus einer unteren Mittelschicht mässigen Wohlstands, Naivität, männlicher Geschlechtszugehörigkeit und Konfessionslosigkeit besteht.
Es ist also nur teilweise berechtigt Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Was gar nicht greift sind die einseitigen Beschuldigungen gegen den politischen Gegner. Denn die Wirtschaftspolitik der demokratischen Parteien unterscheiden sich nicht massgeblich und die Arbeitslosigkeit ist seit mehreren Legislaturperionden der verschiendenen Koalitionen ähnlich hoch.
Die Bekämpfung der Neonazis wird ein nicht endendes Thema sein, da diese die durch die Verfassung gegebenen freiheitlichen Rechte zu ihren Gunsten nutzen (welche sie aber anderen nicht zugestehen) und immer nach belieben neue Parteie hart an der Verfassungsgrenze bilden. Der harte ideologische Kern dieser religiös-Völkischen Bewegung wird niemals zu besiegen sein im Sinne einer Beseitigung. Das kann auch kein vernünftiger Mensch beabsichtigen. Da wo die gemässigte Politik versagt und ihr Vertrauen verspielt, gewinnen die Rattenfänger deren Strategie ist, gezielt die bestehenden Ängste und Schwächen auszunutzen, und über platte Parolen, Vereinfachungen der Zusammenhänge und Projizierung der Misstände auf sichtbare (willkürliche) Sündenböcke auf Stimmenfang gehen.