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Kluft zwischen Arm und Reich

Verfasst: 04.01.2005, 18:15
von autsch
http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF41441 ... ntent.html
Wo die Statistik bei weniger als neunhundert Euro im Monat von Armut spricht, bedarf es angesichts des Elends in der übrigen Welt einer besonderen Anstrengung, um sich das Drama der Armut in der Wohlstandsgesellschaft vor Augen zu führen. Die Zahlen des Sozialberichts der Bundesregierung geben nur dürre Hinweise.

Die Statistik nennt immerhin 13,5 Prozent Arme unter der Gesamtbevölkerung und auf der anderen Seite beachtliche 1,6 Millionen Bürger die mehr als fünfhunderttausend Euro besitzen, eine halbe Million mehr, als 1998 gezählt wurden. Man kann dieses vage Gesamtbild, wie es der Sozialbericht tut, in viele Aspekte auffächern, als wichtigste Tatsache aber muß die Vergrößerung des Abstands zwischen Arm und Reich erscheinen. Man kann von Deutschland kaum mehr als von einer sozial homogenen Gesellschaft sprechen.
Wo liegt genau das Problem einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich? Ich finde, dass diese Darstellung paradoxe Folgen hat.
Wenn das untere Fünftel 5% Zuwachs hat, das obere Fünftel keinen wird dies gemeinhin als positiv bewertet. Wenn nun das obere Fünftel 10% Zuwachs hat, wird dies als negativer Trend gedeutet. Warum? Ist es nicht vorteilhaft, dass beide Seiten wachsen? So lange es allen besser geht und keiner unter absoluter Armut zu leiden hat sollte man doch über jeden Zuwachs zufrieden sein.

Verfasst: 04.01.2005, 21:21
von Der_einsame_eine
tja hört sich für mich auch so an wie dus beschriben hast...
andereseits hört es sich halt scheiße an, wenn man sagt, dass die schere immer größer wird, deswegen kann amn dann damit irgendwelche sachen durchbringen, weil man ein (schein)argument hat

Verfasst: 06.01.2005, 06:02
von elzet
ist halt unpraktisch, dass in dem zusammenhang nicht genannt ist, wie viele arme es prozentual 1998 gab.
aber wenn sich die zahl nicht verändert hat, sehe ich das schon so wie du. glaube aber nicht, dass das der fall ist.

und naja, im vergleich zu anderen staaten hat deutschland ja doch noch einen recht guten sozialausgleich. armut fängt doch glaube ich bei einem einkommen unter 60 oder 62% des bsp/kopf an oder? und ich glaube, spitzenreiter in europa (und in der gesamten welt dann wohl auch) ist österreich mit 65%. das ist im verhältnis zu den usa und zahlreichen anderen staaten dann doch schon ein recht gutes verhätnis, wenn man bedenkt, dass dort "armut" erst bei einem noch geringeren einkommen beginnt. bei den zahlen bin ich mir nicht sicher, ist schon n bisschen her..

schade, ich würde jetzt mehr dazu schreiben, aber ich bin da im moment nicht wirklich gut informiert.. :ugly:

Verfasst: 07.01.2005, 14:09
von Gustavo
Original erstellt von autsch

Wo liegt genau das Problem einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich? Ich finde, dass diese Darstellung paradoxe Folgen hat.
Wenn das untere Fünftel 5% Zuwachs hat, das obere Fünftel keinen wird dies gemeinhin als positiv bewertet. Wenn nun das obere Fünftel 10% Zuwachs hat, wird dies als negativer Trend gedeutet. Warum? Ist es nicht vorteilhaft, dass beide Seiten wachsen? So lange es allen besser geht und keiner unter absoluter Armut zu leiden hat sollte man doch über jeden Zuwachs zufrieden sein.
Der letzte Satz den du zitierst ist offensichtlich der Schlüssel dazu. In einem Land, in dem sich seltsamerweise die Meinung durchgesetzt hat, dass es in einer idealen Welt keine Armut, aber trotzdem Reichtum geben müsste (was ebenfalls paradox ist), hält man es wohl für ungerecht (andere würden es "unsozial" nennen), dass der Sektor des Reichtums wächst, während es noch einen Armutssektor gibt, ob der wächst oder nicht. Aber ich stimme dir zu, noch sind wir nicht bei US Verhätnissen angekommen, es kann sich kaum jemand wirklich beschweren. Dementsprechend hat mich auch die Diskussion nachdenklich gemacht, ob 500 Millionen € als Spende für die von der Flut betroffenen Gebiete zu viel seien, so lange Deutschland so große Schulden anhäuft. Absolut lächerlich...

Verfasst: 01.03.2005, 22:26
von Pater Sion
es gibt auch verschieden definitionen von "arm" und "reich".

Verfasst: 04.03.2005, 10:11
von snorki@gmx.net
Wo die Statistik bei weniger als neunhundert Euro im Monat von Armut spricht, [...]
Scheisse man, dann bin ich ja arm - und ich hab das gar nicht gemerkt ... .

Verfasst: 04.03.2005, 10:30
von Bananenbrot
Dann bin ich auch nur ganz knapp über der Armutsgrenze. Das ist schon bitter.

Verfasst: 04.03.2005, 14:29
von Gustavo
Original erstellt von Bananenbrot
Dann bin ich auch nur ganz knapp über der Armutsgrenze. Das ist schon bitter.
So Leute wie du verfälschen die Statistik auch...

Verfasst: 04.03.2005, 15:01
von Bananenbrot
Original erstellt von Gustavo


So Leute wie du verfälschen die Statistik auch...
Das mache ich gerne. Aber ich bin ja auch ein Ein-Personen-Haushalt, von daher weiss ich nicht, ob ich überhaupt in die Armutsstatistik eingehe.

Verfasst: 14.03.2005, 22:21
von agra
Wenn die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, die Schere also immer weiter aufgeht, wird ein Land mehr und mehr destabilsiert.
Auf der einen Seite leben Menschen in Überfluss, auf der anderen unter dem Existenzminimum.

Eine beängstigende Entwicklung, meiner Meinung nach.

Verfasst: 15.03.2005, 00:13
von Rex*Cramer
Dafür muß man erstmal definieren, was arm zu sein bedeutet. Wer mit Statistiken hantiert, sollte eine sehr gute Sachkenntnis besitzen. Sonst ist das, was man herauszulesen glaubt, aller Wahrscheinlichkeit nach falsch.

Von Forschern der UN wird bspw. das Kriterium angewandt, eine Familie sei dann arm, wenn sie weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Z.B. wären nach der Definition in einer Gesellschaft, in der 90% 100.000 EUR und 10% 1 Mio. EUR verdienen würden, 90% der Bevölkerung arm. Bei einer Struktur wie in der BRD würde bei einem wirtschaftlichen Aufschwung die Armut steigen, wenn die Einkommenszunahme am oberen Ende stärker wäre als am unteren (und zwar absolut, selbst bei prozentual stärker steigenden kleinen Einkommen). Durch die stärkere Steigung des mittleren Einkommens können also Familien per Definition in die Armut abrutschen, obwohl ihr eigenes Einkommen steigt.
Diese relativen Angaben sagen also insbesondere im Ländervergleich überhaupt nichts aus, weil keinerlei absoluter Bezug hergestellt wird.

Damit will ich eigentlich nur mal deutlich machen, daß die Dinge 'ein wenig' komplizierter sind und die Armut nicht unbedingt steigt, bloß weil das in der Zeitung steht. Wer mit Statistiken umgeht, muß ganz genau wissen, was ein Ergebnis aussagt und was nicht, sonst kann man gleich einpacken.

Verfasst: 15.03.2005, 01:49
von Gustavo
Original geschrieben von Rex*Cramer
Dafür muß man erstmal definieren, was arm zu sein bedeutet. Wer mit Statistiken hantiert, sollte eine sehr gute Sachkenntnis besitzen. Sonst ist das, was man herauszulesen glaubt, aller Wahrscheinlichkeit nach falsch.

Von Forschern der UN wird bspw. das Kriterium angewandt, eine Familie sei dann arm, wenn sie weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Z.B. wären nach der Definition in einer Gesellschaft, in der 90% 100.000 EUR und 10% 1 Mio. EUR verdienen würden, 90% der Bevölkerung arm. Bei einer Struktur wie in der BRD würde bei einem wirtschaftlichen Aufschwung die Armut steigen, wenn die Einkommenszunahme am oberen Ende stärker wäre als am unteren (und zwar absolut, selbst bei prozentual stärker steigenden kleinen Einkommen). Durch die stärkere Steigung des mittleren Einkommens können also Familien per Definition in die Armut abrutschen, obwohl ihr eigenes Einkommen steigt.
Diese relativen Angaben sagen also insbesondere im Ländervergleich überhaupt nichts aus, weil keinerlei absoluter Bezug hergestellt wird.

Damit will ich eigentlich nur mal deutlich machen, daß die Dinge 'ein wenig' komplizierter sind und die Armut nicht unbedingt steigt, bloß weil das in der Zeitung steht. Wer mit Statistiken umgeht, muß ganz genau wissen, was ein Ergebnis aussagt und was nicht, sonst kann man gleich einpacken.
Letztendlich ist das doch nur ein weiteres Pferd der Politpresse, das man totreitet. Da die negative Berichterstattung über Politik in Deutschland scheinbar ein "muss" geworden ist und zu der Zeit noch keine Arbeitslosenzahlen über 5 Millionen vorlagen, stürzt man sich halt auf sowas. Da ist es ganz egal, ob die Zahl der unter der Armutsgrenze lebenden Menschen in den USA doppelt so hoch ist wie hier, auch wenn der Wohlstand dort größer ist (aber eben schlechter verteilt). Letztendlich ist das mehr ein Lückenfüller für den Spiegel als alles andere...

Verfasst: 15.03.2005, 09:40
von Rex*Cramer
Damit wollte ich auch nicht sagen, daß das alles nicht stimmt :) Nur mal so als Beispiel zur Kinderarmut: Es könnte z.B. in einer Familie mit gutem Einkommen jemand Spieler sein und das ganze Geld durchbringen oder Alkoholiker oder was weiß und die ganze Familie tyrannisieren. Auf der anderen Seite gibt es Eltern, die von der Sozialhilfe leben, mit ein wenig Zuverdienst und großem Verzicht bei sich selber ihrem Nachwuchs eine möglichst schöne Kindheit ermöglichen. Müßig zu streiten, wer besser dran ist. Solche Beispiele lassen sich beliebig ausdehnen. Alleine das, was zur Verfügung steht, als Grundlage zu nehmen (und zwar wie gesagt nicht absolut, sondern nur relativ), sagt noch nichts über die Verwendung bzw. die realen Konsequenzen aus.
Bei der Arbeitslosenstatistik sieht das ganz anders aus. Wieviele versicherungspflichtige Arbeitsplätze es gibt, stellt man fest, indem man einfach durchzählt. Usw.
Wenn man mit Statistiken umgeht, dann muß man eben zuerst die Grenzen ihre Aussagekraft kennen. Ich fürchte, in der Armutsdebatte reden hauptsächlich Leute durch die Gegend, die das nicht abgrenzen können.

Verfasst: 17.03.2005, 18:52
von autsch
Original geschrieben von Rex*Cramer

Von Forschern der UN wird bspw. das Kriterium angewandt, eine Familie sei dann arm, wenn sie weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Z.B. wären nach der Definition in einer Gesellschaft, in der 90% 100.000 EUR und 10% 1 Mio. EUR verdienen würden, 90% der Bevölkerung arm. Bei einer Struktur wie in der BRD würde bei einem wirtschaftlichen Aufschwung die Armut steigen, wenn die Einkommenszunahme am oberen Ende stärker wäre als am unteren (und zwar absolut, selbst bei prozentual stärker steigenden kleinen Einkommen). Durch die stärkere Steigung des mittleren Einkommens können also Familien per Definition in die Armut abrutschen, obwohl ihr eigenes Einkommen steigt.
Stimm dir da zu und habe so eine falsche Auslegung der Statistik selbst schon gesehen (Le Monde - Atlas der Globalisierung)