Napoleon Dynamite
Dieser Film ist unheimlich witzig.
Ich finde ja sehr selten Filme wirklich witzig, im Grunde lache ich über die meisten Komödien, weil ich Komödien gerne mit anderen Leuten zusammen schaue und die auch lachen und es irgendwie ansteckend ist. Napoleon Dynamite hab ich jetzt zweimal alleine gesehen (in nicht berauschender Bildqualität) und er ist für mich der witzigste Film, den ich dieses Jahr gesehen habe. Der Film hat keine große Handlung (Napoleon, ein notorischer Geek, wird in seinem Alltag beobachtet und im zweiten Teil hilft er seinem Freund Pedro, zum Sprecher seiner Abschlussklasse gewählt zu werden) und praktisch keine eigentlichen Punchlines im Dialog, praktisch der gesamte Witz des Films entsteht durch die Personen, ihre Charakter und ihre Handlungen. Roger Ebert, den ich sonst ob seiner Meinung sehr schätze, meinte in seiner Kritik zu diesem Film, dass man in solchen Filmen immer aus zwei Gründen lacht: entweder, weil man aus Mitleid mit dem Protagonisten oder weil man sich ihm "überlegen" fühlt. Ich glaube, hier irrt sich Ebert, weil man bei Napoleon Dynamite nicht das Gefühl hat, einen echten Menschen vor sich zu haben, irgendwie ist er so überzeichnet, dass man sich nicht vorstellen kann, jemanden wie Napoleon gibt es wirklich irgendwo, obwohl es das wahrscheinlich doch gibt.
Napoleon ist auf jede erdenkliche Art uncool, die man sich nur irgendwie vorstellen kann: seine rotblonden, lockigen Haare sehen lächerlich aus, alle seine T-Shirts könnten direkt von der Altkleidersammlung stammen (der amerikanischen Altkleidersammlung, die Hemden sehen nicht abgewetzt aus, nur eben unheimlich aus der Mode), er trägt eine Brille vom selben Modell, wie mein ehemaliger Mathelehrer es auf dem Foto des Lehrerkollegiums 1975 getragen hat (kein Witz), er trägt andauernd die selben Stiefel (obwohl der Film offensichtlich im Sommer spielt), er spielt im Sportunterricht Tetherball, während alle anderen Jungs in seiner Highschool Basketball spielen, er hat die ganze Zeit den Mund offen, er spricht in einem nervigen Tonfall und deutet immer irgendwie an, von der Intelligenz seiner Mitmenschen enerviert zu sein, obwohl er selbst nicht der Schnellste ist (andererseits sind seine Familienmitglieder zumindest nicht klüger als er, eher dämlicher), er zeichnet gerne (Ligers, eine Mischung aus einem Tiger und einem Löwen wie er selbst sagt), hat aber keinerlei Talent dafür und er lügt oft, um cooler zu erscheinen, als er es wirklich ist, eigentlich ist sogar sein Name schon lächerlich, denn Napoleon Dynamite ist kein Spitzname, er heißt wirklich so. Als er und sein Freund Pedro cooler wirken wollen, weil Pedro gegen die stereotype Cheerleader-Promqueen um das Amt des Schülersprechers antritt, machen sie einen Test einer Vereinigung für Landwirtschaftskunde und tragen die Medaillen, die sie bekommen, weil sie den Test (der offensichtlich für Kinder gedacht ist) bestanden haben, die ganze Zeit um den Hals. Als Pedro am Anfang des Films seine spätere Konkurrentin um das Schülersprecheramt zum Tanz einladen will, will er sie gewinnen, indem er einen Kuchen mit der Aufschrift "Pedro <3's Summer" vor ihrer Haustür abzustellen, statt ihn davon abzuhalten, hilft er ihm als "Escape Driver" auf Pedros Fahrrad. Als Pedro ihn fragt, warum er als Schülersprecher geeignet ist, antwortet ihm Napoleon, weil er ein "Bike" (er meint ein Fahrrad) hat und der einzige Schüler mit einem Schnurrbart ist. Als Pedro ihn um Rat fragt, antwortet er ihm, er soll einfach auf sein Herz hören, das ist, was er auch immer tut; als er etwas für seine Rede braucht, rät er ihm, einfach zu behaupten, dass die wildesten Träume der Schüler wahr werden, wenn sie für ihn stimmen.
Dazu kommt, dass sein ganzes Umfeld uncool ist: sein Bruder ist noch dünner und noch weißer als er, behauptet, "Cagefighter" werden zu wollen, wohnt immernoch zu Hause, obwohl er nach Napoleon so ca. 32 ist, trägt eine ähnlich unmodische Brille wie Napoleon und trägt dazu die Haare noch zu einem Scheitel frisiert. Im Grunde wäre er der perfekte Dekan für "Old School" gewesen, wenn der Film in den 80ern gedreht worden wäre. Er chattet die ganze Zeit mit einer Frau, die sich später als schwarz herausstellt (und ca. einen Kopf größer als Napoleons Bruder), der es aber trotzdem nichts ausmacht, mit ihm zusammenzusein, im Abspann heiraten die beiden sogar
Napoleons Onkel ist ein notorischer Angeber, der immernoch im Jahr 1982 feststeckt, behauptet, einen Football eine "Viertelmeile" weit werfen zu können (selbst professionelle Spieler schaffen vielleicht 80 Meter maximal) und verdient sein Geld damit, Tupperware und Brustvergrößerungspläne durch das Essen von bestimmten Kräutern von Tür zu Tür zu verkaufen. Sowohl sein Bruder als auch sein Onkel machen sich über ihn lustig; während er seinem Bruder noch Paroli bietet, braucht es bei seinem Onkel schon die Tatsache, dass er dem Mädchen, auf das Napoleon ein Auge geworfen hat (und mit dem Pedro zum Tanz geht, weil Napoleon sie nicht fragt), einen Werbezettel für seine Brustvergrößerung in die Hand drückt, mit der Auskunft, Napoleon hätte ihr gesagt, sie würde sich dafür interessieren.
Dazu kommt noch, dass Napoleon auch noch in einer lächerlich uncoolen Stadt in Idaho wohnt, auf der Bühne wird noch zu Britney Spears getanzt, beim Schultanz zu 80er-Synthpop von Alphaville, selbst die vermeintlich coole schwarze Freundin seines Bruders gibt Napoleon ein "Mixtape" mit Jamiroquai (zu dem er dann auf der Bühne so tanzt, wie er es in einem "Hip-Hop-Tanzvideo" gesehen hat, dessen Vorderseite so aussieht, als hätte Schooly D Mitte der 80er dafür Portrait gestanden. Der "Bully"-Freund der Cheerleaderin sieht selbst nicht gut aus und selbst die "popular girls" der Schule tragen Röcke, die weit über die Knie reichen.
Der Film ist nicht besonders spannend und Napoleon ist auch nicht der "lovable loser", man freut sich nicht mal richtig über seine Erfolge am Ende des Films. Der Film folgt einem ähnlichen Prinzip wie Woody Allens "Take the Money and Run", die Handlung hält nur lose irgendwelchen Gags zusammen (bei Napoleon kriecht sie irgendwie vor sich hin), nur dass bei Allen die Handlung als Vehikel für Gags ist, bei Napoleon Dynamite sind die Figuren als solche witzig, wenn auch ungewollt. Eine unkonventionelle Komödie, aber sehr gelungen.
9/10
€dit: Ich sehe gerade die Formatierung des Textes, Respekt, falls sich das wirklich jemand durchliest.
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