UliSchleicher hat geschrieben:Aber Roland Tichy, der ja nun wirklich ein angesehener Journalist ist, mal so nebenbei einen "enormen Grad an Monomanie" zu unterstellen, ist halt schon wieder typisch Gustavo
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. Tichy bleibt nicht vage, sondern analysiert in dem Kommentar vielschichtig und differenziert. Er hat beim Brexit auch nirgends einen "monokausalen Grund" ausgemacht (er schreibt "neben allem anderen"), aber dass der Brexit ohne die Flüchtlingskrise, ohne Köln und die internationale Berichterstattung darüber weniger wahrscheinlich gewesen wäre, ist doch nun wirklich naheliegend. Immerhin hat Merkel monatelang den Plan verfolgt, die Flüchtlinge in der EU zu verteilen. Es gibt bestimmt irgendwo Umfragen dazu, was die britische Bevölkerung davon gehalten hat (
hier z.B., der erstbeste link bei google zu "uk survey migration", aus 2014, ich habe mir das jetzt nicht in extenso angeschaut, aber es sollte klar sein, worauf ich hinaus will). So zu tun als wäre ein Zusammenhang da völlig aus der Luft gegriffen ist m.E. fast schon intellektuell unredlich. Aber sei's drum.
a. Du erkennst keine Ironie darin, für Roland Tichys Glaubwürdigkeit seinen Status als "angesehener Journalist" (der übrigens bröckeln dürfte) ins Feld zu führen? Welche Expertise braucht man genau, um "angesehener Journalist" zu werden und welche Expertise haben diejenigen, die 82% positiv über die Flüchtlingskrise berichtet haben? Sind da keine "angesehenen Journalisten" darunter? Ich nehme an dir ist klar, dass seine Meinung nun nicht gerade eine Mehrheitsmeinung unter "angesehenen Journalisten" ist. Monomanie können auch "angesehene Journalisten" entwickeln.
b. Ich habe nicht gesagt, dass er für den Brexit Merkels Flüchtlingspolitik als monokausalen Grund genannt hat, sondern dass es absurd ist, das überhaupt für eine nennenswerte Einflussvariable zu halten. Der UK ist nicht mal in Schengen und war dementsprechend auch von der Umverteilung aus Griechenland/Italien ausgenommen, niemand konnte ernsthaft glauben, dass GB Flüchtlinge aufgezwungen werden könnten. Konsequenterweise wurde damit bzgl. künftiger Einwanderung auch kein Wahlkampf gemacht*, sondern mit der (genauso absurden) Idee dass die Türkei Mitglied der EU werden könnte, woraufhin dann massenweise Türken durch Freizügigkeit in den UK einwandern könnten. Das Argument bzgl. der Flüchtlinge ist eins, das ich bisher nahezu ausschließlich von Deutschen gelesen habe, während das in Großbritannien keine nennenswerte Rolle spielt. Wenn man genau darüber nachdenkt ist da nicht mal wirklich ein Argument, weil niemand erklärt hat, wie die Flüchtlinge überhaupt in den UK kommen könnten. Daran ist nichts "wirklich naheliegend."
c. "Vielschichtig und differenziert"? Ist das dein Ernst? Ein kursorischer Absatz über "explodierende Gewalt und Kriminalität" bspw. ist nicht vielschichtig, sondern schlicht plump. Generell bin ich immer wieder erstaunt, wie du komplett ausblendest, dass in solchen Artikeln unheimlich oft en passant von (positiven wie negativen) Effekten als sicher ausgegangen wird, für die selbst die methodologisch bestgeschultesten Sozialwissenschaftler riesige Konfidenzintervalle benötigen würden, um sie zu schätzen. Worauf stützt sich die Behauptung von "explodierender Gewalt und Kriminalität"? Welche Theorie liegt dem zugrunde? Welche Vergleichswerte haben wir dafür? "Roland Tichy isguterjunge" alleine ist kein stichhaltiges Argument, selbst wenn er guterjunge wäre. Ich habe jedenfalls bisher nicht viel gesehen, was auf "explodierende Gewalt und Kriminalität" schließen lässt, ganz egal wie oft irgendwer "Köln" ruft. Und das ist noch ein vergleichsweise simples Thema; wenn man erst mal anfängt die Effektgröße für das (viel komplexere) Wirtschaftssystem zu schätzen, wird es richtig haarig. So zu tun als könnte man das mal eben pi mal Daumen schätzen hat jedenfalls mit Vernunft wenig zu tun.
d. "Differenziert" würde in meinen Augen bedeuten, gegen die Kosten auch den Nutzen derjenigen gegenzurechnen, denen man hilft. Aber das kommt in dem Artikel natürlich auch nicht vor, da wird lediglich (wiederum: ohne jeden Beleg) behauptet, dass hier nur Enttäuschungen auf die Flüchtlinge warten, weil ja jedem direkt einleuchtet, dass jeder Flüchtling sein Handy nur genau solange anlässt, wie er braucht um die Balkanroute auswendig zu lernen und das die Nachrichten darüber, dass es hier doch keine Wohnung und Auto umsonst gibt wie vom Schlepper versprochen leider nicht mehr ankommen. Dass Flüchtlinge vielleicht auch einfach rationale Nutzenmaximierer sind, für die sich die Flucht auch ohne Wohnung und Auto umsonst lohnt, weil sie erst ab Österreich halbwegs human behandelt werden: Kommt nicht vor. Auch die Ironie, sich in einem Absatz über alleinreisende junge Männer zu beklagen und dann im nächsten Absatz den Familiennachzug kritisch zu sehen zeugt für mich nicht gerade von großem Willen zur Differenzierung. Aber über sowas scheinst du einfach wegzulesen.
*Farage hat ganz am Ende ein Plakat mit Flüchtlingszug im Hintergrund geschaltet, wofür er aber auch ordentlich Prügel bezogen hat
UliSchleicher hat geschrieben:Ansonsten kann ich dazu nicht mehr viel schreiben. Meiner Meinung nach sollte einem, spätestens nach Köln, der gesunde Menschenverstand sagen, dass wir dabei sind uns riesige Probleme ins Land zu holen. Und das heißt nicht, dass ich den Djihad, Massenvergewaltigungen und den Untergang des Abendlandes befürchte, aber eben eine schleichenden Veränderungsprozess, der dazu führt, dass unsere Gesellschaft langfristig unfreier und rückständiger wird. Wenn das für dich alles immer nur "ominöse Omen" sind, alles irgendwie eingebildet, hysterisch überdreht... tja dann ist das halt so.
Wie wäre es, mal nicht immer nur solche Wischiwaschi-Kommentare zu schreiben und GANZ KONKRET zu benennen, auf welche Arten wir "unfreier und rückständiger" werden und wie weit das geht? Warum ist das nie möglich? Warum kannst du nicht sagen, wie es in sagen wir 15 Jahren um die "Freiheit" in Deutschland steht und wenn du dich um sie sorgst erklären, wie du glaubst dass sie zurückgedreht werden könnte? Wenn das alles mit dem "gesunden Menschenverstand" erschließbar ist sollte es kein Problem sein zu erklären, wie das gehen könnte. Ich sage ja nicht: Wie es gehen muss oder wie es zwingend gehen wird, einfach was du für realistisch hältst. Aber auch das kommt irgendwie nie rüber und ich frage mich ernsthaft warum.