trasher hat geschrieben: Entweder die Kosten, die Flüchtlingen in unserem Land verursachen: Sehr viel Geld, Spaltung unseres politischen und gesellschaftlichen Systems, also eine Spaltung der Gesellschaft mehr zu den politischen Rändern, möglicherweise Lebensqualität für den Einzelnen, monetär und vielleicht, das ist jedenfalls streitig, sicherheitstechnisch, zudem für manche noch so etwas wie einen Verlust des Gefühls von nationaler Identität durch eine politische Entmachtung.
Du setzt letztendlich wieder alles als Argument voraus, was eigentlich erst zu beweisen wäre. "Sehr viel Geld" heißt in diesem Fall mal wieder "sehr große Zahl", ergibt aber ohne Angabe des Zeitraums und der finanziellen Leistungsfähigkeit keinen Sinn. Klar, mit 50 Milliarden könnte man bspw. aus Heidelberg Harvard und aus FU/HU Berlin Berkeley machen, aber das heißt nicht, dass das passiert wäre, wenn die Flüchtlinge nicht gekommen wären. Es wäre auch größtenteils nicht in die "marode Infrastruktur" oder in (Verhinderung von) "Altersarmut" oder eine der zig anderen Sachen investiert worden, die immer wieder angeführt werden, es wären größtenteils schneller Schulden abbezahlt worden, was dann zu einem mit dem bloßen Auge kaum sichtbaren Effekt geführt hätte. Selbst wenn man tatsächlich davon ausginge, das Geld würde stattdessen zu 100% ausgegeben, wären das Mehrausgaben von knapp 300 Euro pro Jahr und Einwohner, was in Anbetracht der Tatsache, dass der deutsche Staat bereits fast 15000 Euro pro Jahr und Einwohner ausgibt kein großer Betrag ist. Im Vergleich mit den (positiven) Auswirkungen der letzten fünf Jahre sind die Kosten für die Flüchtlingskrise Peanuts. Im Vergleich zu den negativen Aspekten der Eurokrise in vielen anderen Ländern Europas (ich meine explizit nicht nur Griechenland) sind die Auswirkungen der Flüchtlingskrise in Deutschland eine Lappalie. Von "Lebensqualität" zu schreiben und damit den durchschnittlichen "Einzelnen" zu meinen ist nahe an der Verblendung*. Eine "Spaltung" der Gesellschaft erscheint mir unrealistisch, wenn die "Altparteien" über 80% der abgegebenen Stimmen erhalten und der Effekt von "politischer Entmachtung" ist ebenfalls vernachlässigenswert, wenn man ihn in Relation zu den gesellschaftlichen Änderungen setzt, die langfristig die Wahlbeteiligung um 20% gesenkt haben. Diese Dinge sind alle ärgerlich, aber wer das für ein epochales Problem hält, möge es beweisen. Das habe ich noch nirgendwo gesehen und es versucht eigentlich auch niemand; entweder man glaubt es nicht oder man macht es wie du, indem man sie einfach axiomatisch postuliert.
Die Frage ist nicht, ob Deutschland sich das leisten kann (es kann), sondern ob es das will. In der Debatte sollte man sich dann aber weder hinter rechtlichen noch hinter Sachzwängen verstecken und klar sagen, worum es geht: Die allermeisten Flüchtlinge kommen nicht aus der unmittelbaren Gefahr, sondern aus unhaltbaren Zuständen in Flüchtlingslager. Für die allermeisten ist die Flucht dauerhaft eine deutliche Verbesserung ihrer Lage; wir wären NIEMALS bereit, Deutsche unter solchen Umständen leben zu lassen. Wenige (aber sicher nicht niemanden) würde die Änderung der Anreize zur Flucht daran hindern, die Gefahr zu verlassen bzw. sie zurück in die Gefahr treiben, auf die der gewährte Schutz zielt. Die Kosten für Deutschland sind nicht gering, aber sie sind absolut beherrschbar. Über die gesellschaftlichen Auswirkungen kann man streiten, allerdings kommt es mir momentan sehr wahrscheinlich vor, dass der bei weitem größte gesellschaftliche Schaden nur indirekt mit Flüchtlingen zu tun hat, sondern dadurch zustande kommt, dass sich Flüchtlinge als DIE outgroup schlechthin gut instrumentalisieren lassen bzw. bestimmte Denkmuster begünstigen. Dauerhaft geöffnete Grenzen könnten, müssen aber keineswegs eine "Kaskade" hervorrufen. Durch geschlossene Grenzen alleine würde die humanitäre Situation derjenigen stark beeinträchtigt, die momentan auf dem Weg sind; eine Lösung sind geschlossene Grenzen alleine nicht. Wie sich die Flüchtlingsbewegungen entwickeln, wenn Deutschland die Grenze schließt, ist unklar. Wie stark man die Situation der Flüchtlinge in den Auffanglagern verbessern könnte, weiß momentan niemand, allerdings würde das sicherlich ebenfalls nicht an Unbezahlbarkeit scheitern.
Mir scheint wie man das Ganze unter diesen Umständen beurteilt, hängt eigentlich nur davon ab, für wie wichtig man das Wohlergehen der Flüchtlinge hält. Große negative Auswirkungen auf den "Einzelnen" versucht niemand auch nur zu belegen und eine moralische Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen, kann ich nicht erkennen (und selbst wenn es sie gäbe hätte Deutschland sie sicherlich mittlerweile übererfüllt). Ich finde es völlig respektabel, wenn man (wie bspw. johnnywalka) sagt, man hält das Wohlergehen von Flüchtlingen für nachrangig. Das will bloß niemand, deshalb wird auch immer von "Überforderung" oder "dem Rechtsstaat" gesprochen, weil es besser klingt als "außerhalb von konkreter Gefahr von Leib und Leben ist mir das Wohlergehen von Flüchtlingen relativ unwichtig."
*Nur mal als Beispiel: Wie viele Leute sind bisher, wo eine Seite des politischen Spektrums schon vom "Staatsversagen" spricht, in ihrem alltäglichen Leben tatsächlich tangiert und wie stark? Ich wette mit dir die Einschnitte sind DEUTLICH geringer als bspw. in den 1970ern durch das Wochenendfahrverbot, an das sich heute kein Mensch mit Schaudern zurückerinnert