Arrested Development Seasons 1-3
Bei Arrested Development bin ich mir in der Gesamtbeurteilung nie sicher, was ich von der Serie und ihrem Schicksal halten soll: sollte man froh sein, dass sie es überhaupt ins Fernsehen geschafft hat oder doch eher enttäuscht, wie Qualität sich auf dem freien Fernsehmarkt nicht immer durchsetzt? Schwierig zu sagen.
Arrested Development war eine Serie auf FOX, die von 2003 bis 2006 lief. An sich ist das verwunderlich genug: die Serie erhielt von der ersten Folge an hervorragende Kritiken und das Lob nahm bis zum Ende der dritten (und letzten) Staffel auch nicht ab, sondern sogar noch zu. Arrested Development ist damit genau die Art von Serie, für die Fox nicht gerade bekannt ist; wer sich das gesamte Programm von Fox ansieht, findet an intelligenter Comedy eigentlich nurnoch die Simpsons, die noch aus einer für den Gehalt der Fernsehcomedy in den USA besseren Zeit stammen, und Family Guy, der große Rest setzt sich aus mittelmäßigen bis albernen Sitcoms und Showkonzepten, die auch von RTL II stammen könnten ("Are you smarter than a 5th Grader?"), zusammen. Leider scheint Fox sich weniger um seinen Ruf als um seine Quoten zu kümmern (wobei man fairerweise sagen muss, dass der beim größeren Teil des "blauen", medienorientierteren Amerika mit Fox News sowieso zerstört wurde), dementsprechend auch die Behandlung der Serie: wenn man am Anfang noch behaupten konnte, Fox versucht durch häufige Verschiebungen eine Zeit zu finden, zu der Arrested Development zumindest akzeptable Quoten erreicht, sah es gegen Ende einfach nurnoch danach aus, als hat Fox die Serie dorthin verschoben, wo sie gerade ein Loch zu füllen hatten, in den USA ein Todesurteil für eine Serie. Die zweite Staffel wurde konsequenterweise bereits um 4 Folgen gekürzt, in der dritten wurde dann nach neun Folgen endgültig der Stecker gezogen. Die restlichen vier Folgen der dritten Staffel, die noch produziert wurden, um die Handlung der Serie kohärent abzuschließen, wurden von Fox alle hintereinander in direkter Konkurrenz zu der Eröffnungsfeier der Winterolympiade 2006 gezeigt, was als symptomatisch für die Behandlung der Serie durch ihren Sender gesehen werden kann. Den Sendeplatz bekam übrigens nach dem Ende von Arrested Development die Serie "Skating with the Stars", ein Abklatsch von "Dancing with the Stars", worauf auch in einer der letzten Folgen Bezug genommen wird.
Die Handlung erzählt von der Familie Bluth: eine reiche Familie mit einer eigenen Firma im Imobiliengewerbe, in der bis auf den Protagonisten Michael alle Mitglieder mehr oder weniger große Exzentriker sind. Die Konflikte, die auch den Humor tragen, entstehen dadurch, dass das Familienoberhaupt und Geschäftsführer der hauseigenen Firma, George Bluth Senior, von Steuerfahndern festgenommen wird. Weil ein großer Teil des Besitzes der Familie eingefroren wird, müssen die Familienmitglieder jetzt mit deutlich weniger Geld auskommen, wobei ich in vielen Zusammenfassungen gelesen habe, die Geschichte wäre eine Umkehr der typisch amerikanischen "from rags to riches"-Geschichte, was im Grunde auch nicht stimmt: die Charakter müssen mit weniger Geld auskommen, arm sind die Bluths allerdings noch bei weitem nicht. Der serienübergreifende Handlungsstrang ist die Untersuchungshaft und später auch das Warten auf die Gerichtsverhandlung von George Bluth.
George hat vier Kinder, die zusammen mit seiner Frau Lucille den Mittelpunkt der Serie ausmachen:
George Orwell Bluth Junior, von allen nur "Gob" gerufen, ist ein völlig unzuverlässiger Chaot, der überall hin nur mit seinem Segway fährt und dessen große Leidenschaft die Zauberei ist, allerdings ist er darin nicht besonders gut. Gob braucht am dringendsten den Zuspruch seines Vaters und die Art, in der ihn sein Vater immer wieder manipuliert, wird in der letzten Staffel, in der George Bluth sen. bereits wieder daheim auf seinen Prozess wartet, ein großer Teil der Handlung.
Michael ist Georges zweitältester Sohn und erhofft sich am Anfang der Serie bereits, Georges Nachfolger als Firmenchef zu werden, was er dann jedoch nur zwangsweise wird, da George die Führung der Firma eigentlich seiner Frau Lucille überlassen will, bevor er festgenommen wird. Michael ist anders als Georges andere Kinder, ein zuverlässiger, wenn auch manchmal etwas verkniffener Mensch und seine Probleme mit seiner Familie bilden einen weiteren Teil der Haupthandlung, da er im Zweifelsfall oft entweder zwischen allen Fronten oder direkt gegen alle steht, weil er einerseits die Familie zusammenhalten will, andererseits aber auch die Firma leitet und deshalb den Geldfluss der Familienmitglieder drastisch reduzieren muss. Michael hat noch einen Sohn, George Michael. im Teenageralter, der bei ihm wohnt, seine Mutter ist gestorben und wird in der Serie selten erwähnt, höchstens um auf George Michaels vermeintliche Unfähigkeit, Frauen anzusprechen, hinzuweisen.
Lindsay ist Georges einzige Tochter und noch etwas verwöhnter als die anderen Kinder: sie verbringt den Großteil ihrer Zeit damit, irgendwelche Wohltätigkeitsveranstaltungen zu besuchen und gegen Dinge zu demonstrieren, von denen sie eigentlich überhaupt keine Ahnung hat. Sie ist mit Tobias verheiratet, der der seltsamste der Charaktere ist: extravagant bis flamboyant mit häufigen Anspielungen auf seine Homosexualität (er spricht seinen Nachnamen "Fjunkay" aus, auf die stereotypste Art, die man sich nur vorstellen kann), ursprünglich Therapeut und Analytiker gleichzeitig (was er auf seinen Visitenkarten früher einfach zu "Analrapist" als Kombination aus Analyst und Therapist zusammengefasst hat), versucht er jetzt als Schauspieler Fuß zu fassen, was allerdings nicht gelingt, da er völlig untalentiert ist.
Zusammen haben sie eine Tochter, die von allen nur "Maeby" genannt wird, glücklicherweise hat man nach den ersten paar Folgen auf Wortwitze damit verzichtet. Sie versucht zwanghaft gegen ihre Eltern zu rebellieren und ist damit das genaue Gegenteil ihres Cousins George Michael, der überkorrekt und ein Langweiler ist, mit dem sie nachdem die Familie in Geldnot gerät auch ein Zimmer teilen muss. George Michaels Schwäche für seine Cousine ist ebenfalls ein Teil der Handlung, der sich durch die gesamte Serie zieht.
George hat noch einen dritten, jüngsten Sohn, Buster, der der Prototyp des Muttersöhnchens ist. Er wohnt als einziges der Kinder noch bei seiner Mutter und ist auch sonst völlig von ihr und ihrer Zuneigung abhängig und unselbstständig.
Lucille ist die Frau von George, eine Trinkerin, die konstant unfreundlich und herablassend mit ihren Mitmenschen umgeht, sie ist ebenso manipulativ wie ihr Mann. Es scheint ihr mehr als Recht zu sein, dass Buster so an ihr hängt und das fördert sie auch noch, allerdings ist sie zu Buster meist ebenso unfreundlich wie zu ihren anderen Kindern.
An sich klingt das also alles gar nicht so lustig, sondern eher nach einer typischen Familie und ihren Streitigkeiten. Warum sollte man sich das also im Fernsehen antun? Die Antwort ist recht einfach: die Charakter sind so überzeichnet, dass es lustig und unrealistisch wirkt, ohne gleichzeitig so absurd zu sein, dass man keinerlei Aspekte des alltäglichen Lebens mehr in ihnen sehen kann. Die Serie verbindet sehr offensichtlichen, physischen Humor (meistens Tobias, der sich beispielsweise für die Blue Man Group bewirbt, die er für eine Selbsthilfegruppe depressiver Männer hält) mit subtilem Humor, der meistens auf Wortwitzen basiert. Beispielsweise wird Buster in der zweiten Staffel die Hand von einer wilden Robbe ("loose seal", gesprochen Lucille) abgebissen, worauf er einen Haken statt einer Hand trägt. Ein anderes Beispiel ist der Anwalt der Familie, den sie in der dritten Staffel einstellen, nachdem ihr bisheriger Familienanwalt, der völlig unfähig war, gefeuert wurde. Ihr neuer Anwalt trägt den schönen Namen "Bob Loblaw", er führt im Internet "Bob Loblaws Law Blog". Als Buster versucht, selbstständiger zu werden und eine Frau ausführt, die zufällig eine Freundin seiner Mutter ist, im gleichen Alter und ebenfalls mit Namen "Lucille", womit auf Busters Abhängigkeit hingewiesen wird, adoptiert Lucille einen koreanischen Jungen, "Annyong", was nicht sein wirklicher Name ist, sondern lediglich "Hallo" bedeutet, was aber keiner der Bluths versteht (sein richtiger Name lautet "Hel-loh", wie in der letzten Folge aufgeklärt wird) um Buster eifersüchtig zu machen. Es gibt noch zig andere lustige Nebenfiguren, unter anderem der Schulschönling Steve Holt, dessen erste Worte in jeder Konversation "Steve Holt!" sind, wozu er die Faust nach oben streckt, oder Georges Halbbruder Oscar, ein alternder Hippie, der exakt wie George aussieht, nur mit Haaren statt einer Glatze. Viele der Nebenrollen sind mit Stars besetzt worden, die für eine relativ mickrige Gage in der Serie aufgetreten sind, weil sie selbst Fans waren.
Das Format der Serie ist relativ einfach, ein omnipräsenter Erzähler (gesprochen von Ron Howard), unterrichtet über die Handlung und zeigt gelegentlich auch Ausschnitte und Fotos von Dingen, auf die sich die Handlung gerade bezieht. Es gibt keinen Laugh-Track, die Serie hat die übliche 21-22 Minuten Länge einer Sitcom, lediglich ein kurzer Ausblick auf Handlungen der nächsten Folge wird am Ende gezeigt, die so in der nächsten Folge dann jedoch selten vorkommen, allerdings in die Handlung eingebunden bleiben.
In gewisser Weise ähnelt die Serie stark Scrubs, allein das ist ja schon Empfehlung genug, dazu ist sie auch ähnlich gut, wenn nicht sogar besser produziert. Wer die Gelegenheit hat, wird auf jeden Fall viel Spaß daran haben, selbst wenn er die Serie schon kennt, lassen sich immer wieder neue Details entdecken, die man beim ersten Sehen verpasst hat, weil man der Handlung folgen musste. Die Serie gibt es mittlerweile bereits komplett auf DVD, die deutsche Synchronisation auf Comedy Central ist leider miserabel und die Verantwortlichen sollten ausgepeitscht werden.
Fazit: 9/10