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'Es entbehrt nicht einer gewissen [...]'

Ein Forum für Diskussionen rund um die deutsche Sprache.
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The ManDay

'Es entbehrt nicht einer gewissen [...]'

Beitrag von The ManDay »

Keine Ahnung, was ich dazu schreiben sollte, aber diese Floskel kam mir mal so grade eben in den Sinn und ich wollte mal ein Topic dazu eröffnen, in dem unsere kleine Germanistikgemeinde etwas diskutieren kann.

'Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie... Logik... Absurdität'

So in den Kontext eingebettet ist die Bedeutung klar – 'Es ist mit einer gewissen Ironie behaftet' – aber umso mehr man das Ding mal auseinander nimmt – umso verworrender wird dieses Konstrukt. Ich bringe meinen Gedankengang mal zu Papier:

Jemand kann etw. entbehren bedeutet, dass derjenige auch ohne diese Sache auskommen kann, sie aber einmal bessessen hat (Ich kann etw. Zeit entbehren | Ich kann mein Auto entbehren) Wenn jetzt aber bspw. ein Text eine Sache entbehren 'kann' hat das schonmal garnichts mehr mit dem ursprünglichen 'etw. entbehren' zu tun. Oder wie seht ihr das? Dann noch dieser seltsame Genitiv!
Was macht der denn an dieser Stelle? 'Er entbehrt einer Ironie' statt 'er entbehrt (eine) Ironie'!? Das macht doch keinen Sinn – oder etwa doch? Hat 'entbehren' in einer Genitiv-Verwendung eine andere Bedeutung als 'entbehren' in seiner Akkusativ-Verwendung?

Das könnte sein! Ist es nicht so?

Entbehren + Akkusativ: Man kann auf etwas verzichten (I can spare some money)
Entbehren + Genitiv: Man 'vermisst' etwas (I lack some money)

Weiter im Text: 'Es entbehrt einer Ironie' trotz der seltsam anmutenden Verwendung von 'entbehren' setze ich jetzt vorraus, dass 'entbehren', hier in seiner Genitivverwendung darauf hinweist, dass der Sache Ironie fehlt. Als nächster induktiver Schritt invertiere ich den Fall und setze ein 'nicht' davor.
'Es entbehrt nicht einer Ironie'. Klingt seltsam was? Da kommt der Kasus scheinbar wieder ungelegen und macht den Klang des Konstrukts kaputt.

Schon hier kann man sich das Ding, was wir da auf unserem Weg zur fertigen Floskel geschaffen haben, auf der Zunge zergehen lassen.
Ich sehe hier einen Wendepunkt vom logisch aufgebauten und korrekten Satz hin zu einem, sich immer mehr in Widersprüchen verstrickenden Wirrwarr. Klangtechnisch kann man da noch ein paar Zugeständnisse machen, indem man beispielsweise das 'nicht einer' durch 'keiner' ersetzt:
'Es entbehrt keiner Ironie'. Kasus erhalten, Klang verbessert. Doch was in meinem Kopf passiert ist, ist dass ich, unser immer noch im Genitiv verwandtes 'entbehren' plötzlich wieder mit der Verwendung im Akkusativ assoziiere – id est: 'Es kann nicht auf Ironie verzichten.'

Da tut sich mir eine gedankliche Barriere auf die zumindest ich nicht in der Lage bin zu überschreiten. Ich schaffe es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr das 'entbehren', obwohl es im Genitiv steht, mit einem 'vermissen' gleichzusetzen. Könnt ihr das?
Weiter im Text. Der finale und absurdeste aller Schritte: Das Hinzufügen eines 'gewisser'.

'Es entbehrt keiner gewissen Ironie'. Nein. Das ist ganz offensichtlich nicht unsere Floskel. Ich habe ganz bewusst nicht darauf verzichtet, dass 'nicht einer' durch 'keiner' ersetzen. Jetzt wird's deutlich würde ich sagen. Deutlich im eigentlichen Sinne wird leider garnichts. Es wird nur deutlich, dass absolut NICHTS in diesem Satz deutlich ist.
Wie kann etwas, was nicht existiert (in diesem Fall die Ironie) 'gewiss' sein? Welch Fiasko die Analyse dieses 'Dings' birgt. Ich will keine Meinung ausdrücken und das, was ich hier beschrieben habe nur als Grundlage für eine Diskussion aufstellen.
Im Großen und Ganzen: Was meint ihr dazu?
wildtollwut
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Beitrag von wildtollwut »

Ich meine erstens dazu, daß irgendetwas keinen Sinn macht, sondern höchstens Sinn ergibt oder hat.

Zu entbehren: Ich habe in Erinnerung, daß entbehren den Genitiv regiert, es wird aber mittlerweile (wohl fälschlich?) im Zuge des Genitivverschwindens oft auch mit Akkusativ verwendet. Wenn man, wie du sagst, etwas entbehrt (Akk.), wird das vermutlich oft mit "können" verwendet und so entsteht der sprachliche Eindruck des Verzichtenkönnens.
Zwischenbemerkung: deine Argumentationsschritte halte ich nicht für besonders induktiv... ;)
Dein Problem mit "...nicht einer gewissen Ironie" liegt wahrscheinlich daran, daß es besser "...nicht gewisser Ironie" hieße, was den Satz auch weniger sperrig macht. "entbehrt keiner gewissen Ironie" heißt eher, daß keine, wie auch immer geartete, Ironie fehlt (entbehren ist positiv verwendet).
Der Schlüssel ist also, "nicht einer" nicht durch "keiner", sondern durch "nicht ...er" zu ersetzen. (nicht einer -> keiner ist eine (sprachliche) Verallgemeinerung, denn es könnte ja immer noch einer anderen, etwa einer ungewissen Logik entbehren ;) )
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Chr1z
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Beitrag von Chr1z »

"Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie..."

nicht entbehren ist hier eine doppelte Verneinung. Dh "es" kann ironisch angesehen werden.

Wie in deinem Gedankengang erwähnt, muss man etwas "besessen" oder eben gehabt haben, um es entbehren zu können.
In unserem Fall entbehrt es aber nicht, hat es also noch.
Wobei man in diesem Falle auch nicht direkt von haben oder besitzen reden kann.
Ein Hauch von Ironie wirkte ihm bei wäre imho eine Beschreibung der Aussage des Ausgangssatzes in anderen Worten.

Um noch auf das "gewisse" einzugehen, dies wird öfter floskelmäsig verwendet. (ein gewisser Herr X).

Alles in allem eine durchaus diskussionswürdige Satzbauart, jedoch nicht von gänzlich unverständlicher Natur.

Jetzt fragt sich nur noch, welche "Rohstoffe" wie eingenommen zu so einer Diskussion verleiten ;)

Freundlichst,
Ingo
enfer
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Beitrag von enfer »

Zum letzten Teil des Anfangsbeitrags:
Wieso existiert die Ironie in dem Satz nicht? Meinst du mit existieren das Vorhandensein?
"Es entbehrt nicht einer (=keiner) gewissen Ironie" heißt ja, man braucht wozu auch immer die Ironie; da ist die Ironie also vorhanden, wie auch schon gesagt wurde.
"Gewiss" ist meiner Meinung nach in dem Zusammenhang einfach eine (ungenaue) Quantitätsbeschreibung.
Bild環ROY
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