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Adolf Hitler entsteht im Computer neu für eine Geschichtsdokumentation über den 20. Juli 1944 im britischen Discovery Channel. "Virtual History" nennt Discovery das Verfahren, das Originaldokumente und neu gedrehte Sequenzen mischt. Nachgestelltes ist digital derart bearbeitet, dass am Ende tatsächlich Hitlers Gesicht spricht. Auch Churchill, Roosevelt und Stalin kommen in der Dokumentation, die Ende Oktober europaweit ausgestrahlt wurde, "zu Wort". In Großbritannien wird darüber kontrovers diskutiert.
"Hitler und der 20. Juli" ist der erste Dokumentarfilm, bei dem die eigentlichen Schauspieler nur als Statisten dienen. Für die Bearbeitung am Computer mussten die Szenen mehrmals gedreht werden und die Schauspieler Masken tragen, mit denen eine präzise Vermessung ihrer Gesichtszüge durch den Computer möglich war.
"Unsere Absicht war es, dem Publikum so nah und persönlich wie möglich einen Einblick darin zu geben was es heißt, Kriegsherr zu sein", sagt Abraham. "Wir sehen die Personen direkt mit den Geschehnissen konfrontiert, und das hilft uns zu verstehen, wie Entscheidungen getroffen wurden. So versetzt uns CGI ganz unmittelbar in die Geschichte."
Doch wie viel Hollywood verträgt der Blick in die Geschichte? Kritiker sprechen von einem Tabubruch.
"Die Regisseure tun so als wäre es exakt so passiert, als wäre eine Kamera dabei gewesen. Ich fürchte, in Zukunft wird immer weniger Leuten klar sein, dass ihnen ein Kunstprodukt gezeigt wird, Fiktion." Abraham betont, dass sie bei der Recherche und Umsetzung darauf geachtet hätten, mit den besten Historikern zusammenzuarbeiten.
Original oder Fälschung? Für den Laien ist dies nicht zu unterscheiden. Zwischendurch im Film werden immer wieder Computergrafiken gezeigt, die örtliche Zusammenhänge veranschaulichen sollen. So steht neu neben alt. Die Präzision geht bis hin zu Bildfehlern wie sie in Filmmaterial aus den 40er Jahren vorkommen.
Wie steht es mit dem Respekt vor dem Original? Wird CGI unsere Wahrnehmung von Geschichte revolutionieren? Wird der Unterschied zwischen originalem und computergenerierem Filmmaterial in Zukunft überhaupt noch eine Rolle spielen? "Man muss als Historiker vehement dagegen ankämpfen, dass Geschichte einfach vereinnahmt und leicht verdaulich gemacht wird", sagt Beevor. "Leider steht das genau im Gegensatz zu dem worauf der Dokumentarfilmer der Zukunft aus sein wird: Er wird seine Geschichte so verpacken wollen als wäre sie wahrhaft Geschichte." Die Vorstellung eines Lebens in virtueller Geschichte - eine düstere Zukunftsaussicht.
"Europa eine Seele" geben - unter diesem Motto findet am 26. und 27. November in Berlin eine hochkarätig besetzte internationale Konferenz statt. Akteure aus Politik, Wirtschaft und Kultur wollen auf dieser von der Kulturstiftung des Bundes präsentierten Veranstaltung Strategien entwickeln, um die Kultur als Teil des politischen Handelns in der EU wirksamer als bisher ins Spiel zu bringen. Die Kultur soll als notwendige Komponente im Einigungsprozess Europas erkannt und genutzt werden, so die Hoffnung der Veranstalter.
Europa ist ein Kontinent mit ebenso vielen Gemeinsamkeiten wie Gegensätzen - ein Kontinent der Vielfalt. Politisch und wirtschaftlich längst geeint. Doch wie kann die Kultur als Teil des politischen Handelns in der EU wirksam genutzt werden, was kann zur Einigung des Kontinents beitragen?
"Humanismus, Aufklärung, Toleranz, soziale Gerechtigkeit, das sind Werte, die Europa immer als gemeinsamen Handlungsraum im Welttableau definieren werden." Auf der anderen Seite steht die Kette von Kriegen und blutigen Auseinandersetzungen. Lektionen, die Europa unter Schmerzen gelernt hat und heute sogar positiv nutzen könnte: "Das Zusammenleben von Religionen, von Unterschieden, das ist auch eine Übung, die Europa nach langen Schwierigkeiten, nach blutigen Erfahrungen im letzten Jahrhundert erfolgreich hinter sich gebracht hat"
Europa versteht sich als eine soziale wirtschaftliche kulturelle und politische Gemeinschaft." Europa ist auf Weg, zusammenwachsen. Ihr die Seele zu geben, ist die nächste große Herausforderung.
"Wenn einer Krebs verdient hat, dann Paul Rosenmöller, der Anführer der politisch korrekten Niederlande; mögen sich die Zellen in seinem Kopf zu einem triumphalen Tumor ausbilden ... Laßt uns auf sein Grab pissen." Das schrieb Theo van Gogh 2001 über den Politiker Paul Rosenmöller, damals Chef der niederländischen Grünen.
Im Ausland und sogar bei uns denken viele, van Gogh sei ein glorreiches Beispiel für die vorbildlich tolerante niederländische Gesellschaft gewesen.
Das war er nicht. Er war ein Paradebeispiel für die Pervertierung des freien Wortes. Seine Tiraden waren verbaler Terrorismus.
In den Niederlanden sind Anstandsregeln in der politischen Debatte praktisch passé. Das haben wir zu einem großen Teil Theo van Gogh zu verdanken. Mit öffentlicher Zurückhaltung und gesellschaftlicher Heuchelei, zwei Prämissen für ein pflegliches Miteinander, hat er gründlich aufgeräumt. Er wollte sagen, was er dachte, genau wie Pim Fortuyn. Das ist pubertär und sozial gefährlich.
Nach seinem Tod wird van Gogh zum liberalen Helden, der er nicht war. Ein Glaubensfanatiker hat einen krankhaften Provokateur ermordet. Das ist alles irrsinnig vertrackt.
"Wir halten zusammen, wir sind viele, man wird uns nicht besiegen." Dieses Motto der Protestmärsche gegen die Wahlfälschungen in der Ukraine zeigt, daß die Menschen aus den verschiedenen Regionen des Landes dasselbe wollen: Demokratie und Freiheit. "Wir halten zusammen" - dies könnte das Ende des Mythos von der vielbeschworenen Spaltung der Ukraine sein, von der unüberwindbaren Kluft zwischen dem russischsprachigen Osten und dem ukrainischsprachigen Westen, vom Wunsch nach einer engen Anbindung an Rußland im Osten und einer Anbindung an Europa im Westen.
Doch nicht die Beziehungen zu Rußland oder zur EU stehen heute im Vordergrund, und das Sprachenproblem schon gar nicht. Es geht nur um eines: das Recht des Volkes auf Demokratie und Freiheit. Möglicherweise traf Michail Gorbatschow, der bisher in der Ukraine nicht besonders beliebt war, ins Schwarze, als er über einen "zweiten Mauerfall" sprach. Denn was heute in der Ukraine passiert, ähnelt den demokratischen Revolutionen in Osteuropa sehr - dieselbe Zivilcourage und Entschlossenheit, friedlich für die Menschenrechte zu kämpfen, gegen Zensur, Druck und Manipulationen. Dies bindet die Ukraine enger an Europa als alle Erklärungen über eine EU-Integration, die von ukrainischen Politikern bisher abgegeben wurden.
Als die Ukraine 1991 unabhängig wurde, war die Gesellschaft noch nicht reif, um auch den Sprung in die Demokratie zu wagen. Die Ukrainer entschieden sich damals mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit, aber mit der Wahl von Leonid Krawtschuk, dem alten Apparatschik, zum Präsidenten gleichzeitig gegen die Entmachtung der Partei-Nomenklatura
Heute entscheidet zum ersten Mal das ukrainische Volk über seine Geschicke selbst - und nicht Rußland oder der Westen.
Nun aber ist das für Putin schlechteste Szenario möglich: ein Sieg Juschtschenkos nach einer friedlichen Revolution in Orange. Die Signalwirkung für die Demokratie in Rußland wäre enorm.
Sicherlich werden in der Ukraine die Unterschiede zwischen Ost und West, Süd und Nord nicht völlig verschwinden. Sie haben nicht zuletzt historische Gründe, weil früher verschiedene Landesteile zu verschiedenen Staaten gehörten, zum Russischen Reich, zu Polen oder später zur Habsburger Monarchie. Leider haben es die ukrainischen Politiker bisher versäumt, für die Integration der verschiedenen gesellschaftlichen Teile zu sorgen. Statt dessen wurden nur zu oft die Unterschiede zwischen Ost und West ganz bewußt im politischen Kampf instrumentalisiert; besonders in diesem Wahlkampf wurde versucht, die Gesellschaft zu polarisieren - ein gefährliches Spiel.
Doch das Klischee, daß die Ukraine durch den größten Fluß des Landes, den Dnjepr, in zwei antagonistische Regionen geteilt wird, ist zweifellos überholt. Die Opposition hat sogar laut offizieller Auszählung nicht nur in der West- und der Zentralukraine gewonnen, sondern auch im Nordosten und in einigen östlichen Regionen. Juschtschenko lag in 16 Regionen und in Kiew vorn, Janukowytsch dagegen nur in neun. Im Vergleich zur Parlamentswahl vor zwei Jahren hat die Opposition zwei weitere Regionen dazugewonnen. Hätte es keine massiven Wahlfälschungen gegeben, hätte Juschtschenko sehr wahrscheinlich auch in drei weiteren Gebieten im Osten und im Süden gesiegt, dafür sprechen zumindest die Ergebnisse des anonymen Exit-Polls. Heute demonstrieren viele Städte im Süden und Osten des Landes zusammen mit Kiew für Juschtschenko. Sicherlich braucht man im Osten viel mehr Mut dazu.
Noch hat die Demokratie in der Ukraine nicht gesiegt. Und sogar bei einem Sieg von Juschtschenko wäre es zu früh zu glauben, daß weiter alles wie am Schnürchen läuft. Doch für viele steht ein Sieg Juschtschenkos zumindest für das Prinzip Hoffnung. Denn der Sieg des anderen Kandidaten nach einer massiv gefälschten Wahl würde über kurz oder lang das Land in eine Diktatur führen und eine neue Spaltung in Europa zementieren.
Iran ist ein Land, das Besucher in gleichem Masse zu locken wie abzuschrecken versteht: Reich an Kulturschätzen von märchenhafter Schönheit, verlangt es andererseits ein gutes Mass an Langmut hinsichtlich der Verhaltens- und Bekleidungsvorschriften, die vor allem Frauen einschränken. Umso stärker ist der Eindruck vom virtuosen Umgang iranischer Frauen mit den Regeln des Mullah-Regimes. Mit subtilen bis subversiven Mitteln erkämpfen sie sich immer mehr Freiheiten im Gottesstaat.
«Die islamische Kleiderordnung schützt die Werte der muslimischen Frauen» - so steht es auf einem Schild in der Ankunftshalle des Flughafens. Man fragt sich, ob man es nicht vielleicht als finsteren Zynismus verstehen sollte - und wie präsent jene, die es angeblich zu schützen gilt, im öffentlichen Leben dieses Landes überhaupt sind. Doch die Überraschung folgt diesem Gedanken auf dem Fusse, denn die ersten offiziellen Vertreter der Islamischen Republik Iran, denen man bei der Ankunft begegnet, sind Frauen: Jede Abfertigungskabine der Einreisebehörden ist mit einer Frau besetzt.
Zum ersten und, wie sich bald zeigen wird, nicht zum letzten Mal sieht man sich mit einer eigenen Vorstellung des Mullah-Staates konfrontiert, die vor der Realität keinen Bestand hat - der allgegenwärtigen Rigorosität der herrschenden Theokratie, die freilich unübersehbar ist, zum Trotz.
Wer sich vorstellt, Irans Frauen müsse aufgrund ihrer institutionalisierten Unterdrückung etwas zwangsläufig Duckmäuserisches zu eigen sein, dem man bestenfalls gesenkten Blicks begegne, wird schnell eines Besseren belehrt: Unverhohlen neugierig und mit spontaner Herzlichkeit begegnen einem Frauen in den Städten des Landes.
Der erste Eindruck von Teherans Frauen unterscheidet sich zunächst nicht wesentlich von dem anderer Grossstädterinnen: Sie bewegen sich selbstbewusst und mit geschäftsmässiger Forschheit, sie gehen in Teehäuser und diskutieren, sie rauchen Zigaretten und flirten, und sie sind zumeist modisch gekleidet. Zu sagen, dass die iranischen Frauen das Beste aus den ihnen auferlegten Kleiderregeln machen, wäre eine wenig schmeichelhafte Untertreibung. Die Natur hat sie grosszügig mit Reizen bedacht, und sie verstehen sie zu zeigen. Das Kopftuch rutscht immer weiter nach hinten und der Saum des obligatorischen Mantels immer weiter nach oben - schon lange bedeckt er nicht mehr jedes Knie, wie es eigentlich Vorschrift wäre. Knackige Jeans unter hautengen Überkleidern sind keineswegs selten, zur Freude der Männer, die kein Hehl aus ihrer Schaulust machen. Was den Mullahs nicht gewahr zu sein scheint, die Frauen Irans haben es begriffen: Das Spiel mit der raffinierten Verhüllung ist weitaus erotischer als das des plumpen Herzeigens. Schon die Art und Weise, wie man an seinem Kopftuch herumzupft, vermag deutliche Signale auszusenden - von der Farbe und Musterung des Stoffes ganz zu schweigen, denn das Einheitsschwarz ist schon lange passé.
Das Spiel der Herausforderung hat die nächste Stufe erreicht und erfordert neue Kühnheiten.
Schon manche Touristin kam sich in ihren für die Reise angeschafften sackartigen Hüllen angesichts der Eleganz vieler iranischer Frauen höchst unförmig vor und begab sich daher flugs zur Neueinkleidung in ein Geschäft vor Ort.
Hinter dem Verkaufstresen des Bekleidungsgeschäfts sitzt eine schöne junge Frau mit ausdrucksvoll geschminkten Augen und kunstvoll toupiertem Haar; das Kopftuch hängt am Hinterkopf sozusagen am seidenen Faden. Sie zeigt eine grosse Auswahl an schönen Kopftüchern her: Wenn man sie schon tragen muss, kann man sie auch ebenso gut als modisches Accessoire betrachten. Das Anprobieren neuer Kopftücher wird von iranischen Mädchen etwa so lustvoll betrieben wie hierzulande das von Schuhen. Doch man probiert ein neues Kopftuch nicht etwa an, indem man das alte herunterreisst und sein Haupt entblösst. Vielmehr schlingt man zuerst das neue um, bevor man das andere darunter löst. Schwer zu sagen, ob man die Selbstverständlichkeit, mit der sich dieser Automatismus bei den iranischen Frauen vollzieht, erschreckend finden oder anerkennen soll, dass sie eben gelernt haben, ihre Aufmerksamkeit wesentlicheren Dingen zu widmen. Die hierzulande so eifrig geführte Kopftuchdebatte ist dort nur zweitrangig. Sara, eine junge Ärztin, die sich ein Zubrot als Reiseführerin verdient, sagt, dass, wer die Regeln gut kenne und scheinbar widerstandslos befolge, sich umso ungestörter ihrer Aushöhlung widmen könne. Es müsse zunächst darum gehen, sich nach und nach grundlegendere Freiheiten zu erkämpfen - die Frage des Kopftuchs, das zum Emblem der Unterdrückung wurde, ist letztlich nur Kosmetik.
Sara sagt, dass jede Frau, die unter dem Kopftuch hervorlugendes Haar zeige - und das ist inzwischen die überwältigende Mehrheit -, damit anzeige, dass sie sich gegen die Vorschriften auflehne. Irans Frauen haben ein sicheres Gespür dafür entwickelt, wie sie die ihnen gesetzten Grenzen stückweise in Richtung Freiheit verschieben können - eine Insubordination, die sich in kleinen Gesten offenbart. Immer mehr Frauen - und auch Männer - missachten beispielsweise das Berührungsverbot in der Öffentlichkeit. Viele Frauen strecken demonstrativ die Hand zum Gruss aus, und auch eine Umarmung zur Begrüssung von Freunden - beides ist Frauen offiziell untersagt - wird häufig nicht mehr gescheut.
Die Islamische Revolution hat seit vielen Jahren die Ausbildung von Frauen stark gefördert, um Arbeitskräfte zu gewinnen, da viele junge Männer im Krieg gegen den Irak gefallen waren. Jetzt müssen die Mullahs mit anschauen, wie die hochqualifizierten Frauen sich mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln stückweise neue Freiheiten herausnehmen. An der Universität von Shiraz, der Metropole im Süden des Landes, sind rund sechzig Prozent aller Studierenden Frauen.
In ihrem kürzlich erschienenen Buch «Schauplatz Iran» schreiben die Autoren Katajun Amirpur und Reinhard Witzke, «der Theokratie gehen nicht nur langsam die Theologen aus, dem System ist schon lange die Gesellschaft abhanden gekommen. (. . .) Empirische Untersuchungen lassen vermuten, dass es in keinem anderen islamischen Land so viel säkular und areligiös eingestellte Menschen gibt wie in Iran» - und es werden immer mehr. Amirpur und Witzke schreiben, «inzwischen gibt es in der iranischen Gesellschaft einen Konsens darüber, dass es keine Alternative zu einer demokratischen Staatsform gibt».
Die Kunsthistorikerin Iran Riahi...die Modernisierung des Landes sei unumgänglich, da ihm sonst die immer jüngere Bevölkerung abhanden komme. Schon jetzt geht ein nicht unerheblicher Brain-Drain vonstatten, obwohl es schwierig und mit hohen Kosten verbunden ist, ein ausländisches Visum zu erhalten.
Einstweilen jedoch bleiben die meisten Akademiker im Lande. Im Botanischen Garten von Shiraz gehen verliebte Studentenpärchen Hand in Hand spazieren, wissend, dass man alles darf ausser sich erwischen lassen. Doch die Obrigkeit musste ohnehin einsehen, dass es unglaublich anstrengend und aufwendig ist, über einen längeren Zeitraum ein hohes Repressionsniveau aufrechtzuerhalten: Wurden 1997, als Präsident Khatami erstmals ins Amt gewählt wurde, Jugendliche fürs Händchenhalten noch auf die Polizeiwache zitiert, so lässt man sie heute weitgehend gewähren, denn die Zahl derjenigen, die gegen die Moralgesetze verstossen, übersteigt inzwischen bei weitem diejenige derer, die zu ihrer Verteidigung bereitstehen: Die menschlichen Ressourcen des Unterdrückungsapparates sind an ihre Grenzen gelangt.
Fussball ist in Iran eine potenziell hochpolitische Angelegenheit. Das zeigte sich etwa 1998 beim entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Australien, bei dem sich Iran die Teilnahme an der Weltmeisterschaft sicherte. Die Begeisterung in Iran mündete in einen gar unkeuschen Freudentaumel, Frauen schwenkten euphorisch ihre Kopftücher - und die Mullahs mussten machtlos zusehen.
Vieles in Iran entspricht nicht dem, was man erwarten würde. In Isfahan, der märchenhaften Stadt der Gärten und Paläste, sitzen junge Iranerinnen kichernd im Teehaus, in der einen Hand ihr Mobiltelefon, in der anderen das Mundstück einer Wasserpfeife. Während wir Pfeifenneulinge noch überlegen, welche Tabakgeschmacksrichtung wohl die beste sei, mischt sich eine junge Frau vom Nachbartisch ein und erklärt mit Kennermiene ganz entschieden, wir sollten auf jeden Fall Apfeltabak bestellen. Dazu zwinkert sie verschwörerisch lächelnd und mit kokettem Charme. Trübsal blasen - im Gegensatz zu Rauchringen - scheint diesen jungen Frauen völlig fremd zu sein, und wenn etwa die Klamotten, die sie kaufen können, nicht chic genug sind - dann studieren sie eben Modedesign und entwerfen reizvollere Kleider, wie eine schöne junge Studentin dieses Fachs selbstbewusst erklärt. Nichts ist herausfordernder, als sich in Zeiten der Zensur kreativ mit den restriktiven Bedingungen auseinanderzusetzen, um kunstvoll und haarscharf an den Verboten vorbeizuschneidern - so lange, bis auch der letzte überflüssige Stoffzipfel gefallen ist.
"Wenn einer Krebs verdient hat, dann Paul Rosenmöller, der Anführer der politisch korrekten Niederlande; mögen sich die Zellen in seinem Kopf zu einem triumphalen Tumor ausbilden ... Laßt uns auf sein Grab pissen." Das schrieb Theo van Gogh 2001 über den Politiker Paul Rosenmöller, damals Chef der niederländischen Grünen.
Im Ausland und sogar bei uns denken viele, van Gogh sei ein glorreiches Beispiel für die vorbildlich tolerante niederländische Gesellschaft gewesen.
Das war er nicht. Er war ein Paradebeispiel für die Pervertierung des freien Wortes. Seine Tiraden waren verbaler Terrorismus.
In den Niederlanden sind Anstandsregeln in der politischen Debatte praktisch passé. Das haben wir zu einem großen Teil Theo van Gogh zu verdanken. Mit öffentlicher Zurückhaltung und gesellschaftlicher Heuchelei, zwei Prämissen für ein pflegliches Miteinander, hat er gründlich aufgeräumt. Er wollte sagen, was er dachte, genau wie Pim Fortuyn. Das ist pubertär und sozial gefährlich.
Nach seinem Tod wird van Gogh zum liberalen Helden, der er nicht war. Ein Glaubensfanatiker hat einen krankhaften Provokateur ermordet. Das ist alles irrsinnig vertrackt.
"Wir halten zusammen, wir sind viele, man wird uns nicht besiegen." Dieses Motto der Protestmärsche gegen die Wahlfälschungen in der Ukraine zeigt, daß die Menschen aus den verschiedenen Regionen des Landes dasselbe wollen: Demokratie und Freiheit. "Wir halten zusammen" - dies könnte das Ende des Mythos von der vielbeschworenen Spaltung der Ukraine sein, von der unüberwindbaren Kluft zwischen dem russischsprachigen Osten und dem ukrainischsprachigen Westen, vom Wunsch nach einer engen Anbindung an Rußland im Osten und einer Anbindung an Europa im Westen.
Doch nicht die Beziehungen zu Rußland oder zur EU stehen heute im Vordergrund, und das Sprachenproblem schon gar nicht. Es geht nur um eines: das Recht des Volkes auf Demokratie und Freiheit. Möglicherweise traf Michail Gorbatschow, der bisher in der Ukraine nicht besonders beliebt war, ins Schwarze, als er über einen "zweiten Mauerfall" sprach. Denn was heute in der Ukraine passiert, ähnelt den demokratischen Revolutionen in Osteuropa sehr - dieselbe Zivilcourage und Entschlossenheit, friedlich für die Menschenrechte zu kämpfen, gegen Zensur, Druck und Manipulationen. Dies bindet die Ukraine enger an Europa als alle Erklärungen über eine EU-Integration, die von ukrainischen Politikern bisher abgegeben wurden.
Als die Ukraine 1991 unabhängig wurde, war die Gesellschaft noch nicht reif, um auch den Sprung in die Demokratie zu wagen. Die Ukrainer entschieden sich damals mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit, aber mit der Wahl von Leonid Krawtschuk, dem alten Apparatschik, zum Präsidenten gleichzeitig gegen die Entmachtung der Partei-Nomenklatura
Heute entscheidet zum ersten Mal das ukrainische Volk über seine Geschicke selbst - und nicht Rußland oder der Westen.
Nun aber ist das für Putin schlechteste Szenario möglich: ein Sieg Juschtschenkos nach einer friedlichen Revolution in Orange. Die Signalwirkung für die Demokratie in Rußland wäre enorm.
Sicherlich werden in der Ukraine die Unterschiede zwischen Ost und West, Süd und Nord nicht völlig verschwinden. Sie haben nicht zuletzt historische Gründe, weil früher verschiedene Landesteile zu verschiedenen Staaten gehörten, zum Russischen Reich, zu Polen oder später zur Habsburger Monarchie. Leider haben es die ukrainischen Politiker bisher versäumt, für die Integration der verschiedenen gesellschaftlichen Teile zu sorgen. Statt dessen wurden nur zu oft die Unterschiede zwischen Ost und West ganz bewußt im politischen Kampf instrumentalisiert; besonders in diesem Wahlkampf wurde versucht, die Gesellschaft zu polarisieren - ein gefährliches Spiel.
Doch das Klischee, daß die Ukraine durch den größten Fluß des Landes, den Dnjepr, in zwei antagonistische Regionen geteilt wird, ist zweifellos überholt. Die Opposition hat sogar laut offizieller Auszählung nicht nur in der West- und der Zentralukraine gewonnen, sondern auch im Nordosten und in einigen östlichen Regionen. Juschtschenko lag in 16 Regionen und in Kiew vorn, Janukowytsch dagegen nur in neun. Im Vergleich zur Parlamentswahl vor zwei Jahren hat die Opposition zwei weitere Regionen dazugewonnen. Hätte es keine massiven Wahlfälschungen gegeben, hätte Juschtschenko sehr wahrscheinlich auch in drei weiteren Gebieten im Osten und im Süden gesiegt, dafür sprechen zumindest die Ergebnisse des anonymen Exit-Polls. Heute demonstrieren viele Städte im Süden und Osten des Landes zusammen mit Kiew für Juschtschenko. Sicherlich braucht man im Osten viel mehr Mut dazu.
Noch hat die Demokratie in der Ukraine nicht gesiegt. Und sogar bei einem Sieg von Juschtschenko wäre es zu früh zu glauben, daß weiter alles wie am Schnürchen läuft. Doch für viele steht ein Sieg Juschtschenkos zumindest für das Prinzip Hoffnung. Denn der Sieg des anderen Kandidaten nach einer massiv gefälschten Wahl würde über kurz oder lang das Land in eine Diktatur führen und eine neue Spaltung in Europa zementieren.
sorry, dass es 3 posts wurden, ging aber nicht anders, dauernd die bekannte fehlermeldung...
Dafür hast du ja den einen oder anderen Artikel mehrfach gepostet.
Die langsame Befreiung (Emanzipation?) im Iran ist ein interessantes Thema. Schön wäre es, hätte es Signalwirkung für andere islamische Staaten. Aber Pakistan, Afghanistan und der Irak (früher oder später) scheinen mir nicht soweit. Ein Grund könnte die dort nicht gewünschte und nicht mögliche (Aus)bildung der Frau sein (Pakistan glänzt mit einer Analphabetenquote von Frauen, die ca. 80% beträgt).
....Das überrascht, wenn man sich die historische Genese der Frage vergegenwärtigt. Anfang 1905 legten die beiden Sozialisten Aristide Briand und Jean Jaurès einen Gesetzesentwurf zur Trennung von Kirche und Staat vor. Am 3. Juli 1905 fand er eine Mehrheit im Parlament. Briand und Jaurès wollten die Kirche nicht zerstören, sondern ihr - Toleranz, Gerechtigkeit und Weltlichkeit des Staates wahrend - Grenzen setzen. Im maßgeblichen Artikel des Gesetzes "garantiert die Republik Gewissensfreiheit" und lehnt die Anerkennung, Subventionierung und Bezahlung "aller Gottesdienste" (cultes) ab.
Der Ex-Minister und Konkurrent Chiracs geht in seinem Buch ins Grundsätzliche: "Wir leben in einer Gesellschaft, die alle Differenzen feiert. Alles, was unterschiedlich ist, erhält das Siegel von Identität und Originalität. Außer man artikuliert eine religiöse Differenz." Sarkozy plädiert deshalb dafür, dass jene, die glauben, "ebenso achtenswert sind wie alle anderen." Er sieht Frankreich auf dem Weg von der Laizität, wie sie das Gesetz von 1905 vorschrieb, zu einer "so kämpferischen Laizität, die als eine Gefahr für die Freiheit jener Leute erscheinen könnte, die mit ihrem Glauben im Grunde nichts anderes ausdrücken als eine Hoffnung."
Das Gesetz von 1905 soll nicht beseitigt werden. Aber Sarkozy will "allen Religionen zu gleichen Rechten" verhelfen. Er beansprucht "keine Privilegien für den Islam", möchte jedoch "einen Religionskrieg" verhindern. Eindringlich warnt Sarkozy den Staat davor, "die Methoden des Extremismus" zu übernehmen - etwa mit einem Verbot bestimmter Sprachen in religiösen Kulten. Der Staat habe den andern so zu akzeptieren, wie er ist.
Wie der deutsche Innenminister Schily von einem deutschen, so träumt Sarkozy von einem französischen Islam als Damm gegen die Entstehung von islamischen Parallelgesellschaften. Ein blau-weiß-rot imprägnierter Islam bildet für ihn keine Gefahr, sondern einen Integrationsfaktor: "Die Republik ist die Hoffnung auf ein besseres Lebens im Diesseits. Die Religion ist die Hoffnung auf ein besseres Leben im Jenseits. (...) Religion und Republik verhalten sich zueinander komplementär. Politik ist das Leben. Religion ist das Leben. (...) Die Religion vermag der Republik zu helfen."
Sarkozy kann sich sogar vorstellen, dass der Staat in den Vorstädten nicht nur Fußballplätze und Jugendhäuser baut, sondern auch Moscheen, wie er einem darüber förmlich geschockten Interviewer vom Express (1. November 2004) erklärte. Denn die islamischen Gemeinden seien arm und könnten sich würdige Moscheen nicht leisten. Der Gottesdienst werde deshalb in Hinterhöfe und in Garagen abgedrängt, das beleidige Gläubige und befördere deren Radikalisierung. Was diese Thesen für die praktische Politik bedeuten, ist unklar. Immerhin verteidigt Sarkozy weiterhin das Gesetz, das Kopftücher in den Schulen verbietet. Staatspräsident Chirac und Premierminister Raffarin reagierten ablehnend auf Sarkozys Revision des Laizismus. Sie wollen vom 1905 festgeschriebenen Dogma kein Jota abweichen.
Sarkozy stellt richtige Fragen an einen versteinerten Laizismus. Religionen sind nicht einfach abzutun als Anachronismen oder bloße Privatsache. Gut einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 machte Jürgen Habermas in seiner Friedenspreisrede im Oktober 2001 auf die Gefahren einer verkürzten Säkularisierung aufmerksam. Moderne Gesellschaften müssen sich, so Habermas, "auf das Fortbestehen religiöser Gemeinschaften" einstellen. Eine Moderne, die nur ihre Sprache kennt und alles andere unter ihren Assimilationsdruck setzt, wird ihren eigenen Toleranzansprüchen nicht gerecht. Toleranzgebote richten sich nicht nur und nicht vorrangig an Minderheiten, sondern seien primär das Problem von definitionsmächtigen Mehrheiten.
Zwischen die kulturkämpferische Front von weltlicher Politik und traditionaler Religion brachte Habermas als "dritte Partei" den demokratisch-aufgeklärten common sense ins Spiel: Dieser verlangt von allen Religionen, dass sie ihren Glauben in eine säkularen Bürgern verständliche Sprache übersetzen und von diesen im Gegenzug, dass sie "religiösen Sprachen" zuhören lernen. Die gegenseitige Bemühung um diesen Übersetzungsprozess ist das genaue Gegenteil dessen, was vulgäre Religionsbeschimpfer unter dem Namen Religionskritik veranstalten. Beide Seiten müssen lernen, die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen, weil beide legitimerweise existieren und ein Zusammenleben allein auf der Basis von Warentausch und Nutzenmaximierung keine Stabilität verheißt.
jetzt hab ich keine lust mehr auf den artikel....
Thomas Thiel stellt eine in Amerika jüngst gegründete Gruppierung namens "Brights" (mehr) vor, die künftig die "naturalistische Weltsicht" verbreiten und die Welt "zur Wissenschaft erwecken" will; unter ihrem Dach sollen sich
"all diejenigen versammeln, deren Weltanschauung frei von übersinnlichen und metaphysischen Elementen ist." Mit den - überwiegend atheistischen - "Brights" trete "ein neuer Typus des Intellektuellen in den Fokus der Öffentlichkeit, der nicht mehr die literarisch- historische, sondern die naturwissenschaftliche Bildung als Grundlage zeitgemäßer Intellektualität" betrachte.
Etwas perplex berichtet Joachim Güntner von der Konferenz zur europäischen Kulturpolitik, zu der die Bundeskulturstiftung nach Berlin geladen hatte. Güntner wurde dort Zeuge eines kulturpolitischen Bekenntnisses von allerhöchstem Rang. In seiner Rede verwies der Präsident der EU-Kommission Jose Barroso, der offenbar noch ein schlechtes Gewissen hat, zunächst erwartungsgemäß auf die gegenwärtigen kultur- und bildungspolitischen Errungenschaften der EU, wie etwa die Programme zum internationalen Studentenaustausch. "Doch dann kam das Finale seiner Rede: In der Hierarchie der Werte seien 'die kulturellen höher zu veranschlagen als die wirtschaftlichen', pointierte Barroso. Dergleichen habe er, stellte der freudig verblüffte EU-Generaldirektor für Bildung, Nikolaus van der Pas, daraufhin fest, in seiner ganzen Karriere noch nicht gehört. Nun fragt sich, was daraus folgt. Wird man fortan die Subventionen für Landwirtschaft und Verkehr, die ein Zigfaches des Kulturetats ausmachen, zugunsten der Kultur umschichten?"
1870 ereignete sich in Rom ein politisches Erdbeben: Der seit dem 8. Jahrhundert bestehende Kirchenstaat existierte nicht mehr und italienische Soldaten trieben dem Vatikan mit Gewalt die letzten politischen Ambitionen aus. Der Papst hat keine Truppen mehr und keinerlei politische Machtmittel. Und doch verzeichnet das 20. Jahrhundert den beispiellosen Aufstieg des Papsttums. Ludwig Ring-Eifel zeichnet die atemberaubende Geschichte dieses Aufstiegs auf. Er verschweigt die Affären und Abgründe päpstlicher Politik und Geheimdiplomatie nicht, aber er enthüllt auch kenntnisreich den singulären politischen Beitrag der Päpste: Johannes XXIII., der tausenden von Juden das Leben rettete und entscheidend bei der Lösung der Kubakrise half; Johannes Paul II., der die Weichen zum Fall des Eisernen Vorhangs stellte und zur internationalen Galionsfigur des Widerstandes gegen Bushs Irakkrieg wurde ...
Was tut eine junge Alterumswissenschaftlerin, wenn sie an ihrem dreißigsten Geburtstag unversehens durch ihre Doktorarbeit fällt? Miriam Schröder versucht ihr Leben zu ändern und nimmt einen Job an - ausgerechnet in der Zentrale einer politischen Partei. Unermüdlich werden hier Strategien entworfen, träumen alle von der Macht. Miriam gelingt der Rollenwechsel erstaunlich gut. Bis sie bemerkt, dass das Schicksal der großen Vorsitzenden ihrer Partei eng mit dem Leben einer antiken Königin verwoben scheint, der einst ein skrupelloser Herausforderer den Untergang brachte. Mit ungewöhnlichen Methoden will sie verhindern, dass die Geschichte sich wiederholt.
Ist nicht die Kanzlergattin, hört sich dennoch interessant an.